Intermezzo-Mix: die Durchgangsposten

An dieser Stelle sollen noch ein paar Mobilien virtuell verewigt werden, die mich zwar nicht wirklich begleitet haben, aber trotzdem erwähnt werden müssen ... der Vollständigkeit halber. Die ganzen neumodischen Familienkutschen und Dienstwagen lasse ich natürlich weg, versprochen.

Im Grunde war auch schon der schlüpperblaue BMW 2500 so ein automobiles Zwischenspiel in meiner Kraftfahrer-Vita. Ihm gönnte ich ein eigenes Unterkapitel, weil er mir einfach zu wichtig war in Anbetracht der vielen, witzigen Sachen die ich gemeinsam mit den Kumpels in kürzester Zeit in ihm erleben durfte.

 

Hier nun die bislang sonstigen Kaleschen:

 

Gold für Blau

Da wäre zum Beispiel gleich mal das hässlichste Auto aller Zeiten zu nennen, das ich mir zusammen mit Kumpel Marcus nur anlachte, um es gegen ein anderes Auto einzutauschen, welches allerdings zugegebenermaßen auch nicht unbedingt als Design-Meilenstein zu betrachten ist... 

Es war 1990, Marcus und ich hatten parallel unsere Ford P6 Turnier-Taunüsse an den Start gebracht und reichlich Spaß damit. Und wie das so ist mit Dingen, die man nicht beachtet, bis man -zum Beispiel weil man unverhofft in den Besitz eines solchen Dinges kam- einen Blick dafür entwickelt: plötzlich fallen sie einem auf.  So auch mit Exemplaren der wirklich extrem unscheinbaren Ford P6-Baureihe. 

Marcus kommt berufsbedingt viel herum, und sah eines Tages auf dem platten Land eine vergammelte, hellblaue 15M-"Limousine" vor einer Garage stehen. Da man ja immer Ersatzteile für das eigene Altmobil gebrauchen kann, fragte er kurzerhand dort nach, ob man sich von dem Wrack wohl ein paar Teile abbauen dürfte, gegen geringes Entgeld. Wir durften, und so fuhren wir eines sonnigen Samstagnachmittages dort mit Werkzeug bewaffnet hin und schlachteten den 15M nach allen Regeln der Kunst komplett aus. Selbst die Teile, die gar nicht an einen unserer Kombis gepasst hätten, demontierten wir - als potentielle Tauschware.

Das war natürlich -wie die ganze Aktion an sich- albern, denn NIEMAND -außer uns- sucht gebrauchte P6-Ersatzteile. Kein Mensch -außer uns- fährt sowas, oder restauriert sowas gar (außer uns...), und wenn, gibt´s die Ersatzteile meist noch neu, für überschaubares Geld. Nein, wir hatten einfach Spaß am Zerlegen, das war der Grund für diese Aktion!

Der Clou war aber: während wir da so begeistert schraubten (ich glaube wir mussten nichtmal was für das ganze Gerümpel bezahlen was wir uns da abbauten), bemerkte der Eigentümer nebenbei, dass da in der Garage noch ein weiterer P6 stünde. Den wolle er allerdings nicht herausrücken sondern sich irgendwann nochmal herrichten, weil das ja das Luxusmodell wäre und so weiter.

Als er auf unsere Neugier hin die Garage öffnete, stand darin tatsächlich ein genauso blauer, 2-türiger Stufenheck-P6. Ein 15M mit XL-Ausstattung (ja, so hieß das wirklich damals, es gab diese Autos mit Basis-, etwas besserer TS-, gehobener XL- und sportiver RS-Ausstattung), allerdings vom Zustand her nicht wirklich viel besser als das draußen geparkte, soeben von uns skelettierte Exemplar. Egal.

Noch ein Schlachtobjekt, an dem wir uns austoben konnten. Beziehungsweise wollten. Aber nicht durften. 

Der Besitzer wollte ihn einfach nicht hergeben, auch nicht für Geld. Hm... ein Mensch, der eine marode P6 Limousine nicht verkaufen will, weil er sie schön findet? Ein Auto mit der zarten Anmutung eines Briketts??

An dieser Stelle sei nun erwähnt, dass der gute Mann dem Ganzen sogar noch eins draufsetzen konnte. Denn wie wir zu Beginn der 15M-Schlachtung schon mit belustigtem Ekel zur Kenntnis nehmen mussten, fuhr er alltags so begeistert wie überzeugt einen mittelgut erhaltenen, knallorangenen VW K70! Meine Herrn! Ein K70 ist so ziemlich das allerletzte, was ich mir auf den Hof stellen würde. Ein Auto, gezeichnet so, wie Vierjährige es tun. Ein Schuhkarton, ein Ziegelstein auf Rädern!

Was solls, der Mann war nicht zu überreden, wir zogen am Ende mit unserer ranzigen 15M-Hausschlachtungs-Beute dennoch zufrieden davon, und warfen sie in unsere günstig angemietete Ersatzteil-Garage. 

Einige Wochen später. Da tauchte auf dem Gebrauchtwagenplatz eines der örtlichen VW-Händler (ja, damals hatten wir tatsächlich zwei davon im kleinen Barntrup) ein K70 L auf. Von Weitem sah der gar nicht soo schlecht aus, zustandsmäßig. Nicht, dass wir plötzlich Geschmack an dieser Styling-Entgleisung gefunden hätten - Gott bewahre! Nein, das Ding brachte uns auf eine Idee... Also mal hin und kucken!

Goldmetallic mit royalblauem Velours (oder sowas) innen. Schräg! Der Händler erzählte uns, dass er den Wagen für einen Kunden verkaufen soll. Das Auto sei Baujahr 1973, aus 3. Hand, soweit fahrbereit und technisch ok. Aber trotz obenherum gepflegtem Erscheinungsbild untenherum leider komplett durchgerostet, und eine Reparatur wirtschaftlich uninteressant. Tatsächlich war von den Schwellern kaum noch etwas vorhanden, und im Handschuhfach stand mehrere Zentimeter hoch eingedrungenes Regenwasser. Doch Marcus und mich hat das eigentlich nur gefreut, denn so ein rostiges Auto müsste eigentlich billig zu haben sein! Nicht um es zu besitzen, sondern um es dem Typen mit dem orangenen K70 als Tauschobjekt gegen den 15M XL in seiner Garage anzubieten. Freilich ein Wagnis, denn diese Option hatten wir mit eben jenem Herrn in keinster Weise zuvor angesprochen.

Es bestand also eine nicht geringe Chance, gegebenenfalls statt mit einem hässlichen, kaputten 15M P6 XL mit einem noch unsagbar viel hässlicheren, kaputten VW K70 L dazustehen. Letzteren hätten wir nichtmal mehr schlachten wollen, sondern ihn direkt vom Schrotti abholen lassen. Das Risiko musste also unbedingt, wenn schon nicht geschmacklich so doch wenigstens finanziell überschaubar bleiben...

Auf die Frage an den freundlichen V.A.G.-Vertragspartner, was das rostige Gold denn kosten solle, kam nur dessen Entgegnung: "was bietet ihr denn?". Verdutzt antworteten wir nicht wirklich ernst gemeinte "Hundert Mark." Wirklich verblüfft waren wir dann allerdings von der Antwort: "Ok, abgemacht."

Wenige Tage später standen wir mit dem goldenen K70 auf dem Hof des 15M-Wrack-Hüters. Es dauerte etwas. Der Mann zierte sich, weil der Gold-Motor nur 90PS habe, und seine Orange ja deren 100. Auch sonst hatten die beiden K70 abgesehen vom Kindergartendesign eigentlich nichts gemein. Aber unser Hinweis auf die schicken Doppelscheinwerfer, die Anhängerkupplung und den guten Erhaltungszustand zumindest der Zierteile, Stoßstangen, Scheiben etc. zog schließlich. Er willigte tatsächlich in den Tausch ein: den 15M XL 1:1 gegen unseren K70. Eine Woche später rückten wir also nochmal samt Hänger an, zerrten den mattblauen P6 aus der Garage und bugsierten ihn in unser Teilelager- ohne ihn je zu schlachten. "Unser" K70 ward nicht wieder gesehen.

Vermutlich steht er noch heute dort - Garagengold im bildlichen Sinne halt.

 

 

Der eingehandelte 15M XL in stiller Pracht. Vermutlich aus 1969 oder '70.

 

 

Zwischendurch mussten wir mit ihm noch in eine andere Scheune umziehen...

..was durchaus wörtlich zu nehmen ist, da er natürlich nicht aus eigener Kraft zu bewegen war. Das Gezerre etwa 5 Kilometer über Feldwege zu   einer schlecht zugänglichen Scheune war eine Story für sich...

Wir mussten ihn aufgrund örtlicher Gegebenheiten mit Schwung bergab in einen Stall rollen lassen. Das Tor war eng, Bremsen nicht vorhanden, genaues Zielen angesagt.

Ich weiß gar nicht mehr, wann und wie wir das Ding nach ein paar Jahren unverändert weiterverkauft haben, vollgestopft mit den Schlacht-Teilen aus dem anderen blauen 15M.


 

Kommen wir nun zu etwas völlig Anderem...

 

Der Grünspecht

Es war immer noch Anfang der 90er Jahre. Zeiten, in denen man noch in Kneipen ging, sogar regelmäßig. Und man hatte obendrein eine örtliche Stammkneipe. Nicht nur als Herr besten Alters zum sonntäglichen Frühschoppen, nein, auch als Jugendlicher. Denn im ländlichen Raum bildeten diese Kneipen die analogen Plattformen für's soziale Netzwerken. Und der Wirt war der Administrator.

Unser Wirt hieß Tulla. Gutmütig, aber durchaus durchsetzungsstark, war er eine wichtige Bezugsperson für uns Dorfjugendliche. Er kannte Alles und Jeden, wer mit wem und wann und warum. Nur etwa 10 Jahre älter als wir, war er nicht nur respektiert, sondern auch  Kumpel und Vertrauter. Und er fuhr gut 2 Jahre lang einen erbsengrünen BMW 528i, Baujahr 1978.  Der Wagen war mir bekannt, wurde er doch einst als Neuwagen auf den Vater eines Grundschul-Klassenkameraden zugelassen und auch bis 1990 von dem gefahren. Und stets gepflegt.

 

Außen grün, innen grün, Scheiben grün, alles grün. Und mit gesundem Durst trotz Schaltgetriebe. Daher der Codename "Grünspecht".

Da er bei Ankauf schon abgemeldet war und Tulla kein Risiko eingehen wollte, musste ich die Verbringung vom Nachbardorf zu mir mit, ähm, Überführungskennzeichen aus dem eigenen Bestand bewerkstelligen. Also mit ohne Zulassung. Ein Kumpel fuhr zur Sicherheit sehr dicht hinter mir her.

Auf'm Land geht sowas schon mal...

 

Tulla besaß ihn nun seit 1992, und im Frühjahr 1994 kam er plötzlich mit einem nagelneuen Mercedes S124 200T vorgefahren. Irgendwie kamen wir natürlich darüber ins Gespräch, auch was den Verbleib des BMWs angeht. Dieser stünde noch bei ihm zuhause, abgemeldet, ohne TÜV, dafür mit TÜV-relevantem Rost an der Hinterachse irgendwo. Fährt aber noch super! Nun ja, es kam was kommen musste: 100 Mark später war der 177PS-Bolide meiner. Der Wagen war zwar innen und außen absolut verlottert, aber substanziell machte sich die Pflege die er mindestens bis 1990 genießen durfte durchaus noch erahnbar. Und: er hatte erst 116.000km auf dem Tacho!

Mein Kalkül war somit: billig kaufen, gründlich putzen und polieren und dann mit Gewinn weiterverkaufen.

Leider hatte ich auch hier wieder versäumt, Bilder vom "Fundzustand" zu machen. Aber wer ahnt auch, dass ich es knapp 30 Jahre später öffentlich machen wollen würde. Noch dazu auf einer "Heimseite" im sogenannten weltweiten Netz, was auch immer das sein soll...

Wie auch immer, ich hatte zwar Recht was die Einschätzung der Substanz unter den total verwitterten Lackoberflächen, Schmutzschichten und Zigarettenkippenbergen angeht. Aber es war mal wieder Schwerstarbeit, aus dem Müllhaufen ein vorzeigbares  Auto herauszupuhlen. Jeder Pfennig Gewinn den ich damit machen sollte war sauer verdient. Zur Belohnung habe ich mir wenigstens ein paar kurze Spritztour-Runden um den Block gegönnt - zum Glück wohnte ich damals noch im Industrieviertel, sodass keine überaufmerksamen Nachbarn hätten aufgescheucht werden können. Machte schon Laune, was der Wagen so hergab. Also zumindest technisch.

 

Finanziell wurde des Projekt nicht ganz so ergiebig wie gehofft. Ob es an der Farbe lag oder am mangelnden TÜV? Oder waren frühe 5er BMWs halt einfach an sich noch nicht so begehrt? Keine Ahnung. Zuerst versuchte ich ihn für 1000 Mack loszuschlagen. Was sogar klappte! Allerdings stand der Wagen 2 Tage später wieder bei mir, weil der Käufer zuhause eine defekte Zylinderkopfdichtung ausgemacht haben wollte.

 

 

 

Viel Schweiß später sah der Bayer wieder echt annehmbar aus...

 

 

 

...auch mit seinen schlichten Stahlfelgen nebst Chrom-Zierringen ... und wenn da nicht das TÜV-Problem gewesen wäre, hätte ich ihn vielleicht sogar noch behalten.

Denn abgesehenen von der Achsaufnahme hatte dieser 528i kein Rostproblem, was durchaus nicht selbstverständlich ist bei Autos aus den 70ern.

 

 

 

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Mit diesem seidenweich säuselnden, berühmten M30-Sechszylindermotor hätte man durchaus seinen Spaß haben können. Aber der hier hatte eine neue ZKD nötig, trotz geringer Laufleistung. Und so war die Entscheidung ihn wie schon anfangs geplant  bestmöglich abzustoßen nie wirklich in Frage gestellt.

Also bot ich ihn in Anzeigenblättern noch eine Weile erfolglos an, parkte damit an exponierten Stellen gut sichtbar mit Verkaufsschild, und schließlich reagierte jemand auf die im Supermarkt angepinnte Polaroidbild-Anzeige:

 

 

Gekauft hat ihn dieser Interessent schließlich auch, seinen Namen kann ich bis heute nicht entziffern, und was er mit dem Wagen vorhatte, habe ich auch nicht verstanden, also rein akustisch schon nicht.

Egal, am Ende lagen 350 Deutsche Mark auf dem Tisch und ich war das Garagenblei endlich los.

 

 

Mein alter Klassenlehrer, Herr Alteheld, der hatte auch so einen. Auch in so einer seltsamen Farbe (Schilfgrün?). 

Aber das war, meine ich, "nur" ein 525. Ts ts...


 

 

Und nun noch ein Schmankerl zum Schluss dieses Kapitels...

Rekord-Fahrstunden

Und jetzt noch ein Auto, welches ich wieder mit Sandkastenfreund Marcus aufgetan hatte. Er hatte sich zwischenzeitlich von seinem Ford 12M P6 Turnier getrennt und sich stattdessen einen traumhaften´62er Opel Kapitän PL 2,6 zugelegt. Ein herrliches Auto, für das ich mich ebenfalls begeistern konnte, denn so einen Käpt´n gab es in meiner Familie früher auch mal. Dass es mir in Kürze jedoch tatsächlich ins Haus stand, einen ollen Oppel zumindest hälftig zu erwerben, hatte ich weder geplant noch erwartet.

Eigentlich ist das aber ja sogar schöner so...

Bei uns in Barntrup war über Jahrzehnte eine Fahrschule mit angeschlossener Autowerkstatt ansässig. Die Werkstatt war schon ewig zu, und auch der Fahrschulbetrieb ruhte seit Mitte der ´80er, als der Inhaber in den Ruhestand ging. Der gute Mann, nennen wir ihn Paul,  pflegte übrigens das Kettenrauchen als persönliches Markenzeichen. Als Fahrlehrer! Heute absolut unvorstellbar. Was uns jedoch umtrieb, war, wie wohl typisch für jeden Hobbykollegen, die Suche nach einer Halle/Scheune/Großgarage, die man für Wartung und Pflege seines Vehikels nutzen könnte, und zwar möglichst günstig. So kamen wir auf den Trichter, mal bei dem alten Herrn zu klingeln und zu horchen, wie es denn mit seiner alten Werkstatthalle aussehe. Der von Krankheit gezeichnete aber sehr freundliche Paul  stand unserem Ansinnen sehr positiv gegenüber, und lud sogleich zu einer Besichtigung ein. Die Halle war perfekt, sogar mit einem großen Deckenkran, Meisterkabuff und Waschgelegenheit etc. ausgestattet. Aber selbst bei einem wirklich fairen Quadratmeterpreis war sie aufgrund ihrer schieren, unerwarteten  2000m² Fläche schlicht zu teuer für uns. Schade.

Doch was uns wirklich vom Hocker haute: in der Halle parkte er nicht nur seinen aktuell genutzten Rekord E, sondern auch noch diverse Vehikel aus Fahrschulbeständen! Neben verschiedenen Zweirädern und beiliegenden 60er-Jahre Halbschalen-Helmen standen mitten in der Halle auch noch ein ockerfarbener Audi 100 LS der ersten Generation (C1, 1968-76) in halbwegs anständigem Zustand, sowie ein derbe heruntergekommener Opel "Olympia-Rekord B-L 1700" von 1965! Der Audi interessierte uns jetzt nicht so wirklich, aber der Opel...!? 

Der Viertürer, schon wieder ein hellblaues Auto, stand auf grobstolligen Winterreifen dort wo er, wie der alte Herr noch genau wusste, im Januar 1978 hingefahren, geparkt und einfach stehengelassen wurde. So, wie er von seiner letzten Fahrstunde zurück kam. Und ja, das bedeutete, dass noch immer die zweite Fahrschulpedalerie beifahrerseitig eingebaut war!

Coool! Davon waren wir natürlich wie elektrisiert!

 

An dem Wagen selbst war wirklich gar nichts mehr zu retten. Im Fahrschulalltag 13 Jahre heruntergeritten, das komplette Interieur nicht nur entsprechend abgewohnt, sondern auch bis in die letzte Ritze mit einem Nikotinfilm überzogen (wir erinnern uns: Kettenraucher). Was schade war, weil das echt mal chic gewesen sein muss: blaue Brokatstoffbezüge mit einer Art metallicblauen Kunststoffwangen, sowie ebensolche Türverkleidungen und Armaturenbrettpolsterungen. Naja, und dass der Wagen im Januar 1978, also in höchswahrscheinlich frisch streusalzgepökeltem Zustand abgestellt wurde, war seiner Unterbodensubstanz auch nicht eben zuträglich, trotz dass die folgenden 20 Jahre Dornröschenschlaf in einer trockenen Halle stattfinden sollten. Wirklich, von diesem Wagen war praktisch kein Teil mehr zu gebrauchen. Aber: er hatte diese Fahrschulpedalerien! Wie geil! Verkäuflich? Joh. Läuft er denn? Seit 1978 nicht mehr ausprobiert. Hm... wir kommen wieder...!

 

 

Der zweite Satz Pedalerie. So etwas findet man nicht alle Tage. Das verspricht höchsten Spaßfaktor, und dann ist auch der üble Allgemeinzustand nebensächlich...

Zwei Tage später rückten wir also nochmal an, bewaffnet mit mobilem Kompressor zum Reifenaufpumpen, Werkzeug, einem Kanister Sprit und Batterie nebst Abschleppseil. Letzteres war das wichtigste Utensil, wie sich herausstellte. Denn der Motor drehte - immerhin!- gut durch, aber er sprang einfach nicht an. Irgendwann war die mitgebrachte Batterie leergenudelt. Und nun? Aufgeben? Niemals. Schaden kann man hier eh nicht mehr anrichten, also: auf die brutale Tour. Es wurde zwar schon dunkel, aber nun schoben wir den Rekord aus der Halle und hängten ihn an Marcus´ Firmenwagen.

Und dann zogen wir den armen Dauerschläfer Runde um Runde über den Hof. Er hustete und spotzte, dass es einem leid tat, aber... nach Runde X kamen die ersten Zündungen! Erst auf einem, dann auf zwei oder drei, und dann auf allen vier Pötten! Was für ein Gefühl! Natürlich qualmte er aus allen Ritzen und der Krach der aus den Auspufffragmenten drang war ohrenbetäubend, aber: er lief! Und er blieb sogar an!

Plötzlich passierte etwas Unheimliches. Während er so hustend und röchelnd auf dem Hof stand und wir beim Blick auf den Motor gerade verdutzt feststellten, dass die Zylinderkopfhaube nur lose auflag, glimmten plötzlich die Scheinwerfer und Rückleuchten müde auf! "Christine" war erwacht!

Nun waren wir natürlich nicht mehr zu bremsen. "Das Ding muss her!" Allerdings sagte Paul nichts, was man als "Das Ding muss weg!" deuten könnte. Im Gegenteil war er trotz körperlicher Hinfälligkeit und fortgeschrittenen Alters immer noch fit genug, unsere Begeisterung in klingende Münze umzuwandeln, sodass wir uns schließlich bei 300 Mark Kaufpreis einigten. Selbst heute, 25 Jahre später, immer noch ein Liebhaberkurs für so ein Wrack...

Aber egal, Spaßhaben war angesagt. Also am nächsten Tag rote Nummern von der Tankstelle besorgt, und den Rekochd abgeholt. Paul stellte noch Schlauch und Wasser, damit wir den Staub der Jahrzehnte abspülen konnten und dann gings los. Aber nicht weit. Nur zum Betriebsgelände eines Bauunternehmens dessen befreundeter Inhaber uns vorübergehende Abstellmöglichkeit gewährte. Und Testgelände...

Wie gerne wären wir mit dem Wagen im Ort herumgefahren, aber der technische Zustand war dafür doch nicht mehr so wirklich geeignet. Und so fuhren wir einige Male damit auf dem Betriebsgelände unsere Runden, und haben fortwährend Tränen gelacht. Nicht nur weil es an sich schon lustig ist, mit einem uralten 75PS-Opel durch unwegsames Gelände zu brettern, sondern weil der Beifahrer jederzeit unvermutet ins Fahrergeschehen eingreifen kann! Von plötzlichen Vollbremsungen oder Auskuppeln bis ungewolltem Vollgas wurde ausgiebig Gebrauch gemacht. Selbst heute beim Schreiben dieser Zeilen muss ich wieder lachen.

Leider war mit diesem speziellen Fahrunterricht relativ bald Schluss. Irgendwann wollte er nicht mehr so recht anspringen, und laufen auch nicht. Nicht zuletzt konnte er nicht ewig dort auf dem Betriebsparkplatz herumstehen, zumal er ja auch nicht unbedingt eine Augenweide war. Selbst die dort als Firmensymbol aufgestellte, 100jährige Dampfwalze sah irgendwie frischer aus.

Also boten wir den Wagen verschiedenen Leuten aus der Opel-Szene an. Ein bekannter Teilehändler aus Meinerzhagen erbarmte sich schließlich, und holte den müden Olympia-Rekord für 350 Mark ab. Immerhin.

Nur ein Durchreichen mit Spritkostenersatz? Aber nein, mitnichten! Der Spaß bei Entdeckung, Erweckung und "Nutzung" war schlicht unbezahlbar! Einen besseren Lohn der Mühen kann man sich kaum vorstellen.

Wenn man so tickt wie wir...

Den originalen KFZ-Brief (1. Hand!) sowie das im Kofferraum gefundene Stahlblech-Kennzeichen LE-W 191 habe ich als Andenken behalten. Letzteres hängt in meiner -doch noch gefundenen- Schrauberhalle als Dekoration.