Phase I


Na, denn mal los!

Oder auch nicht. Denn nach Schaffung dieses respektablen Grundstocks für die Erfüllung des Flossentraums war erstmal Zurückhaltung angesagt. Das Studium wollte zunächst abgeschlossen und ein vernünftiger Start ins Berufsleben hingelegt  werden. Das erforderte meine volle Aufmerksamkeit. Und ohne geregeltes Einkommen braucht man sich eh nicht an den Wiederaufbau eines so derbe angezählten Oberklassebenz' heranwagen. Auch fehlte überhaupt die räumliche Möglichkeit dazu, also eine Schrauberhalle die ausreichend Platz und unempfindliche Nachbarn bietet. In der heimischen Normgarage ist das eher selten gegeben.

So war es nun mittlerweile 1998 geworden, ohne dass irgendwas Nennenswertes mit den beiden Flossen passierte. Außer ihres Umzugs in eine andere Scheune irgendwo im idyllischen, jedoch eher abgelegenen Kalletal,  was dazu führte, dass  das flossierliche Pärchen eher noch weiter aus meinem Blickwinkel geriet...

Aber plötzlich sollte Schwung in die Sache kommen. Die Silvesterparty stand an, und sie stieg in einer alten Halle im benachbarten, kleinen Dorf Sonneborn. Vor Ort angekommen wurde mir klar, dass es sich um die alte Werkstatthalle eines ehemaligen Auto- und Landmaschinenhändlers handelt. Große Tore, große Fenster, große Höhe und eine große Grube konnte ich im feuchtfröhlichen Gewühl ausmachen. Und je später der Abend, desto schöner die Vorstellung "Mensch, das könnte doch genau das sein, was ich suche! OK, a bisserl groß vielleicht, aber... fragen kost´ja nix!"

Prost Neujahr!

 

 

 

 

 

 

 

 

Jaaa, so ungefähr konnte ich mir das vorstellen, da im Nachbardorf Sonneborn.

Kaum ausgenüchtert, trat ich in Kontakt mit dem Besitzer der die ganze Liegenschaft erst kurz zuvor kaufte. Er stand meiner Anfrage positiv gegenüber - und was die Größe anging, so hatte er sowieso vor, die Halle mit ein oder zwei Trennwänden sowie einer Zwischendecke zu versehen. Preislich kamen wir überein, also trennte er "meinen" stirnseitigen Teil mit dem großen Fenstergiebel und der Grube ab, zog im hinteren Teil eine zweite Holzboden-Ebene (Platz für Teilelagerung!) ein - und fertig war die Schrauberhalle! Meine Schrauberhalle! Herrlich!

Im April 1999 konnte ich rein und mich mit allen in den vergangenen Jahren gesammelten Schränken, Bänken und Regalen etc. einrichten.  Anständiges Werkzeug hatte ich ebenfalls bereits so einiges am Start: mein Onkel arbeitete bei Firma Heyco in Remscheid, und meine Geburtstags- und Weihnachtswunschzettel der zurückliegenden 5 Jahre waren sehr von deren Sortiment geprägt...

 

 

 

 

Noch mit Silvesterdeko an den Wänden, aber vor allem mit viel Tageslicht gesegnet, war hier entspanntes Schrauben unter ostwestfälischen Palmen angesagt.

 

Das Bild zeigt allerdings nicht die Situation bei Einzug, sondern kurz vor dem Auszug, mit allerlei Gedöns das nicht (zwingend) in eine Schrauberhalle gehört, wie zum Beispiel mein geliebter Indiana-Jones-Flipper.

 

 

 

Ein echtes Highlight war natürlich die Grube, wobei dieser Begriff es eigentlich nicht ganz trifft. "Teilunterkellerung" kommt der Wahrheit wohl näher, denn es war dort nochmals reichlich Stauraum sowie ein großer Altöltank für die zu erledigenden Ölwechsel vorhanden.

 

 

 

 

Einen Haken hatte die Halle allerdings: sie bot trotz Allem nicht genug Platz für zwei Flossen gleichzeitig.

Eigentlich wollte ich die blaue Chicagoflosse quasi als Schraubvorlage benutzen, und nur bei Bedarf Teile herausoperieren,  wenn die der schwarzen Flosse nicht zu retten gewesen wären.

Gerade beim Zusammenbau eines u.U. Jahre zuvor komplett zerlegten Autos ist es nämlich SEHR hilfreich, an einem vollständigen, baugleichen Exemplar die korrekten Position, Reihenfolgen und zu verwendende Schrauben etc. abschauen zu können. Diesen Luxus erfährt kaum ein Schrauber. Nun hatte ich diesen Vorteil - aber nicht den Platz dafür. Hmpf.

Den Blauen im relativ fernen Kalletal zu lassen, war aber ebenfalls unsinnig. Also wurde er am 23.06.99 schließlich in meine Halle überführt und ich zerlegte ihn bis auf die letzte Schraube. 

Hier noch ein letzter Anblick aus ungewohnter Perspektive, von meinem "Hallenbalkon".

 

Immer wieder erstaunlich, wie "schief" Lenkräder im Auto stehen, gell? Ist aber normal so!

Auf dem Bild da oben sieht er wirklich nicht übel aus, und vermutlich wurden auch schon wesentlich schlechtere Flossen wieder auf die Straße gebracht. Aber erstens war es ja wie eingangs beschrieben ein hübsch gemachter Blender, zweitens redete ich mir totz gewisser Bisse im Gewissen ein, dass man nüchtern betrachtet nicht billiger an so einen "Ersatzteil-Komplettsatz" kommen kann, und drittens hat sich beim Zerlegen der Verdacht auf durchaus fortgeschrittenen Substanzverfall mehr und mehr bestätigt. Ja, gerade schaute ich nochmal in mein Restaurationstagebuch: es stimmt wirklich, auch aus heutiger, verklärter Sicht war der Wagen tatsächlich ziemlich, ziemlich rott. Nicht gänzlich unrettbar, aber in jeder Hinsicht ein schwerster Sanierungsfall.

Ich habe seine bis auf die letzte Klammer und das letzte Stück Kabel oder Schräubchen entkernte Hülle zunächst nochmal im Kalletal zwischengelagert. Lediglich das (gute) Schiebedach, der fleckige Himmel und der rostige Kofferraumdeckel waren noch an Bord.  Im  Oktober 2000 schließlich ging dieser Blauen-Überrest für 1000 Mark an einen Händler aus dem Ruhrgebiet, aus Platzgründen zusammen mit dem kaputten Velours-Interieur aus dem inzwischen ebenfalls zerlegten Schwarzen.

Der Platztausch Schwarz gegen Blau geschah an einem trüben Herbsttag, am 30.10.1999. Wieder einmal wurde der befreundete Bauunternehmer um ein Zugfahrzeug bekniet, wieder einmal ein Transportanhänger gemietet, und sodann mit diesem nicht eben spritzigen, oder gar wendigen Gespann eine Überführungstour durchgezogen.

Die Schwarzflosse ahnte wohl angesichts der ausgebeinten, blauen Artgenossin was ihr bevorstand. Denn sie wollte im kalletaler Unterschlupf, wo sie die letzten Jahre ungestört vor sich hindämmern durfte, zunächst partout nicht anspringen. Eine frische Batterie und viel gutes Zureden halfen schließlich dabei sie aus eigener Kraft auf den Hänger zu fahren. Wennauch nur auf 3 Pötten...

Und schließlich stand sie dann doch endlich, aber bange dreinblickend in meiner Halle.

Und weil ich gerade so schön am Gange war, habe ich den Schwung genutzt und direkt am nächsten Wochenende mit Bestandsaufnahme und Zerlegung begonnen. Vieles ging mit der Erfahrung, die ich am blauen Wagen sammelte, leichter von der Hand. Na, da hatte sich der Zweitbenz doch schonmal positiv bemerkbar gemacht. Daher dauerte es nicht wirklich lange, bis auch der Schwatte ziemlich nackt dastand. Nämlich genau drei Tage, bis zum 10.11.99. Okay, die Achsen, Motor & Getriebe sowie Lenkung waren noch drin, aber sonst nix. Allerdings konnte ich ja auch relativ beherzt zu Werke gehen, denn kaputtmachen konnte ich an den Zierteilen etc. nicht viel, das war eh alles hinüber.

Dann jedoch legte sich wieder der bleierne Mantel der Untätigkeit über das Projekt. Nicht, dass mein Wille angesichts der auch hier wieder ernüchternden Demontage-Ergeb- und Erlebnisse nachhaltig gelähmt worden wäre.

Na gut, vielleicht ein bisschen...

Aber es waren wieder einmal private und berufliche Veränderungen, die zu langen Phasen der Abwesenheit in der Halle führten. Wie dramatisch wenig ich da zugange war, musste ich mir gerade von meinem Restaurations-tagebuch klarmachen lassen: im Jahr 2000 war ich an genau 2 Tagen im März zum Schrauben in der Halle, und in 2001 genauso "oft", nur im April!

Stattdessen sammelte sich in der Halle nur zusätzlich behinderndes Umzugsgut, und die Flosse wurde zum Ersatzteilcontainer. Denn so ganz faul war ich natürlich nicht. Ich kaufte stetig Ersatzteile für den bevorstehenden Sanierungs-Großangriff zusammen, wo es nur ging. Mal ein Blechteil hier, mal eine Dichtung dort,...

Dennoch, es wurde erneut eine lange Durststrecke für mich und meinen Traum.

Es musste tatsächlich erst 2004 werden, bevor ich endlich wieder Hand ans geduldige Blech legen konnte!