Phase III


Zieleinlauf in Harmstorf

Eine Kündigung seitens der Sprinkenhof AG lag zwar noch nicht vor, aber davon will man sich ja angesichts einer 4-Wochen-Frist auch nicht überraschen lassen. Der Drops würde früher oder später eh gelutscht sein, also hieß es sich nun schon um Alternativen zu kümmen -"proaktiv zu sein" wie man neudeutsch sagt.

Mit Nils schaute ich mich also wieder mal virtuell und analog um, wir knüpften Kontakte zu verschiedenen Mietwerkstätten und anderen Schrauberkombinaten in und um Hamburg. Nils fuhr inzwischen im Alltag einen Volvo 850 Kombi (weil ihm sein 123er Kombi vor der Haustür geklaut wurde) und kam darüber in Kontakt mit den "Volvoniacs". Die wiederum gaben den Hinweis auf ihre Wirkungsstätte, die "Alte Honigfabrik" im Stadtteil Wilhelmsburg, eine Art alternatives Kommunikationszentrum mit angeschlossener Auto-Selbsthilfewerkstatt.

Das war nun bei genauerer Betrachtung nicht so unser Ding, außerdem eh kein Platz frei und unser vieles Zeug hätten wir da auch nicht unterbringen können. Aber der Volvoniac Holger war vor Ort. So kam man ins Gespräch und schließlich bot er uns an, dass eventuell in seiner Scheune in Harmstorf noch Platz für uns gemacht werden könnte. Ist zwar etwas abgelegen im Süden von HH, aber dafür billig. OK, und keine Heizung...

Egal, das kenne ich eh schon seit ich schraube -und leider bis heute- nicht anders!

Am nächsten Wochenende also hingefahren (eine dreiviertel Stunde!) und  angesehen. Nicht so doll, vor allem zu niedrig um unsere Hebebühne aufstellen zu können. Richtig ausbreiten wäre auch nicht möglich. Aber: ich brauche ja eigentlich auch sowieso nur noch Platz um die Flosse später in Ruhe fertigstellen zu können, also hauptsächlich um Innenausstattung, Chromteile, Stoßstangen sowie Beleuchtung einzubauen. Und Nils braucht nur Abstellplatz. Und es gibt ein Klo nebst Waschbecken! OK, wir machen es!

Dann hieß es erneut: Kisten packen, die Halleneinrichtung demontieren, die Hebebühne verkaufen (das ging uns schwer ab...). Am 27.10.2007 holte ich -mal wieder- einen 7,5-Tonner-Miet-LKW, hängte einen Autotransportanhänger dran, und dann: in die Hände zu spucken.  Dank tatkräftiger Unterstützung durch die Kumpels klappte es an einem Tag, das ganze Geraffel samt noch vorhandenem Schwarzflossenkadaver an den neuen - und hoffentlich letzten-  Aufbauort meines 300SE zu verfrachten.

 

Es war zunächst nur ein reines Einlagern. Der Winter stand vor der Scheunen-Tür, da hat man eh keine Lust auf "Einrichten"  und zudem gab´s ja in Hamburg bei Olaf noch genug zu tun. Bis die Flosse soweit ist, dass sie aus eigener Kraft fahren kann, vergeht noch viel Zeit. Und dann geht sie erst nochmal zum Lackierer, der dann wie vereinbart die noch bei ihm eingelagerten Kotflügel und Hauben montiert ...und meine selbstproduzierte Schramme aus der Himmelaktion beseitigt...


Haut hin: die Lederausstattung, 1. Teil

Wenn ein Auto äußerlich starke Spuren seiner Vergänglichkeit aufweist, sieht es in der Regel im Innenraum auch nicht viel anders aus. Während Lack und Blech vornehmlich verwittern, kommt beim Interieur auch mechanischer Einfluss  durch schubbernde Gesäße unterschiedlicher Gewichtsklassen hinzu, und ebenso wie beim Rest des Wagens eher mangelnde Pflege. So auch bei meinen beiden Basisflossen: die feinen Veloursbezüge der Schwarzflosse hingen in verschossenen Fetzen, das ehemals cremefarbene Leder der Chicagoflosse war kreideweiß, vielerorts brüchig und überall von morschen Nähten gezeichnet. Somit waren beide Innenausstattungen im wahrsten wie doppelten Wortsinne als verblichen zu bezeichnen.

Mein (damaliger) Vorzug galt dem Leder. Es riecht (normalerweise) gut, wirkt gediegen und ist unempfindlicher in der Benutzung. Heute würde ich das gutmöglicherweise anders bewerten. Da aber eh kein originaler Veloursstoff verfügbar war, entschied ich mich also, das nicht eben vegane Interieur aufarbeiten, beziehungsweise wo nötig partiell teilerneuern zu lassen.

Ich führte Gespräche mit ein oder zwei Sattlern in Hamburg, die jedoch eher für kompletten Neubezug plädierten um langfristige Zufriedenheit gewährleisten zu können. Dann nahm ich Kontakt mit einem szenebekannten Fachbetrieb in der Nähe des fernen Göttingen auf, der sich auf das Restaurieren aller Arten von Lederwaren versteht, also nicht nur Autos sattelt. Der damalige Geschäftsführer verstand genau was ich (damals noch ungewöhnlicherweise) von ihm wollte: soviel originale Substanz wie möglich erhalten. Nichts ist für mich schlimmer als komplett neues, womöglich sogar modernes Leder in ein altes Auto zu ziehen.

So wie ich mit Absicht eines der alten Lenkräder montierte, weil es die feinen Spuren und elfenbeinigen Haarrisse von jahrzehntelanger Nutzung trägt, so wollte ich auch die mühsam erworbenen Knautsch-Fältchen und Schwielen in den Lederoberflächen nicht einfach komplett wegwischen. Sondern es eben wirklich restaurieren lassen, so weit es die Substanz für die weitere Nutzung hergibt.

Fortsetzung folgt im 2. Teil des Kapitels...


Klappt super: der Webasto-Windabweiser

Schon im Güldenen Gleiter, also in meinem zweiten 280SE, konnte ich die Vorzüge dieses herrlich altmodischen Zubehörteiles kennen- und liebenlernen.

Nicht nur, dass dieser ausklappbare Schiebedach-Windabweiser der Firma Webasto genau das tut was er soll, nämlich lästigen Zugwind und ohrenbtäbendes Wummern und Dröhnen bei geöffneter Luke zu unterbinden. Nein, er sieht auch noch schön aus, mit seinem rauchbraunen Plexiglas und den vollverchromten Befestigungs- bzw. Scharnierteilen. Und das Dollste kommt erst noch: bei Nichtgebrauch sieht man ihn nicht! Heißt: ist das Dach zu, ist er weggeklappt und stört nicht das Auge des Betrachters, wenn jener den Blick auf die Wagen-Silhouette richtet.  Keine aufgesetzte Hutze beleidigt das Design zeitlos eleganter Dachformen.

Auf meinem ersten 280SE fand ich so eine "übliche" Plastikhaube vor, und wusste leider noch nicht um die Existenz der Webasto-Alternative. Nun aber bei der Flosse wollte ich unbedingt wieder so etwas tolles wie sinnvolles drinhaben! Nach einigem Suchen fand ich ein brauchbares Exemplar, welches ich mit viel Geduld und Polierspucke vorsichtig wieder auf Vordermann bringen konnte.

 

 

 

 

Da bei der Montage sechs Löcher durch den Himmel und die Schiebedach-Kassette gebohrt werden müssen, und zwar sehr passgenau(!), nahm ich den provisorischen Einbau zu einem Zeitpunkt geringstmöglicher Kollateralschäden vor, also bereits vor dem Einziehen des neuen Himmels.

Später, beim finalen Innenausbau des Wagens , brauchte ich so nur noch die sechs vorbereiteten Löcher ertasten, und konnte den Einbau ohne weitere Blessuren oder Schockmomente über die Bühne bringen.

Welche eine Freude!


Haut in Streifen: das Hutablagenleder

Da es in einer normalen Autowerkstatt recht viel Bewegung gibt, war es ratsam, nun auch bald die Heckscheibe einzubauen damit der Wagen im Inneren nicht mehr als nötig zustaubt, insbesondere die vielen Ritzen und Fugen im Armaturenbrett etc.

Vor dem Einsetzen der Scheibe musste aber noch die dortige Karosserieverkleidung in Form eines Lederstreifens in Interieurfarbe angebracht werden, denn dieser wird später von der Heckscheiben-Dichtung "eingeklemmt". Also habe ich zunächst bei meinem Sattler um Zusendung eines entsprechenden Lederzuschnitts gebeten und mich dann ans Werk gemacht:

Wieder einmal ein Gewerk bei dem ich Neuland betrat. Am liebsten hätte ich das jemandem überlassen der davon etwas versteht, weil bei sichtbaren Oberflächen treten Anfängerfehler nunmal unbarmherzig zutage und versauen im Zweifel den Gesamteindruck.

Zwar hatte ich einen alten Lederstreifen, der bei der Fondheizung dabei war, als Vorlage. Dennoch kostete es mich einige Überwindung, die ersten Schnitte anzusetzen. Galt es doch, den zweidimensionalen Lederabschnitt in eine in mehrere Richtungen gewölbte, dreidimensionale Form zu bringen und dabei faltenfrei mit der Karosserie zu verkleben. Und beim später sichtbaren Übergang an der Dachsäule zum Himmel war sehr sorgfältiges Arbeiten angesagt.

Es hat  letztlich aber gut geklappt und sitzt bis heute einwandfrei. Die zur Fondheizung gehörende Luftverteilerschale, die auf der Hutablage vor diesen Verkleidungsstreifen gesetzt wird, habe ich dann aber doch lieber vom Sattler neubeziehen lassen...


Persönliches Geschwenk: die Sonnenblenden

Und weil ich schon dabei war, sollten auch die Sonnenblenden endlich an ihren bestimmungsgemäßen Platz zurückfinden. Diese präsentierten sich allerdings nicht nur stark verschmutzt, sondern auch von der Sonneneinstrahlung verfärbt. Da halfen auch verschiedenste Versuche mit Vinyl-, Kunststoff- oder Möbelreinigern, oder Scheuermilch samt Wurzelbürste nichts.

Meine Lösung sah so aus: ich schickte ein Stückchen Himmelstoff an einen Anbieter von Lackspraydosen für Automobilanwendungen, der  Farbtöne nach Muster anmischt. Anschließend habe ich die Sonnenblenden mit dieser Farbe lackiert. Mich überzeugte das Ergebnis, und stelle auch heute noch keine Nachteile an dieser Methode fest.


Fragiles Rücksichts-los: die Heckscheibe

Das Einsetzen einer derart, nochmals stärker als die Frontscheibe gebogenen Panoramascheibe ist auch für heutige Autoglasprofis mangels Routine keine Selbstverständlichkeit mehr. Umso mehr freute ich mich, da jemanden an der Hand zu haben, der sich nochmal rantraute. Er kam erneut zum Ort des Geschehens gefahren und gemeinsam schoben und drückten wir den gläsernen Trümmer milimetergenau an die richtige Position. Knifflig beim anschließenden Einziehen des Dichtungsgummis in den Karosserierahmen ist (wie auch bei der Frontscheibe), dass die zuvor einzusetzende, umlaufende Chromleiste nicht wieder herausrutscht. Tut sie das doch, und sei es nur an einer kleinen Stelle, kann man von vorn anfangen. Denn es ist definitiv nicht möglich, diese Leiste bei eingebauter Scheibe ins Dichtungsgummi zu drücken. Anschließend noch eine Kartusche Dichtmasse in die Fugen gepresst, und nach einer Stunde war die Sache durch. Bis heute ist da kein Tropfen Wasser mehr eingedrungen.

So, nun war die Flosse nach vielen Jahren Durchzug wieder dicht. Macht schon einen Unterschied, optisch...

 


Herzenssache: Wiedereinbau Motor & Getriebe

Während ich mich also weiter der Vervollständigung des flossalen Korpus´ befleißigte, ob in meiner Wohnung wo ich beispielsweise Chrom-Sitzbeschläge aufpolierte und auf dem Balkon die Sitzkonsolen lackierte, oder in Harmstorf demnächst zu vebauende Teile herauskramte, oder bei Olaf Scheiben einbaute, oder, oder, oder,.... schraubte Olaf  den Motor unter Verwendung seines Knowhows und meiner aufgehübschten Anbauteile wieder zu einem standesgemäßen Kraftwerk namens M189.986 zusammen.

Da ich nur alle paar Tage dort vorbeizuschauen vermochte, konnte ich den Zusammenbau leider nicht so minuziös dokumentieren wie die anderen Gewerke. So kam es auch, dass Olaf nach erfolgtem Abschluss seiner Arbeit es nicht abwarten konnte zu erfahren, ob dieser Alumotor auch so gut läuft wie er aussieht! So klemmte er alles was für einen kurzen Probelauf nötig ist provisorisch an, und startete ihn noch auf der Palette!

Und er sah und hörte, dass es gut war!

Als ich zwei Tage später in seine Werkstatt kam, präsentierte er mir stolz den Motor sowie ein kurzes Handy-Video mit den ersten Lebenszeichen. Keine abnormalen Geräusche (sofern das ohne Auspuff zu erlauschen ist), keine unerwünschten Lecks oder sonstige erkennbare Fehlfunktionen. Freilich würde sich das erst wirklich herausstellen wenn die Maschine mit angeschlossenem Wasserkühler und Auspuff mal eine Weile vor sich hin liefe.

Also wurde der triumphale Wiedereinbau der Motor-Getriebe-Einheit, mithin die zweite sogenannte Hochzeit für den darauffolgenden Samstagnachmittag, den 19. April 2008 verabredet.

Auf dem Weg dorthin tankte ich 20 Liter Superplus in einen Kanister. Der erste Flossensprit seit 1993! Ich war dabei so aufgeregt wie beim ersten Tanken meiner seligen Mofa...

Sorry für soviele Motorbilder, aber ich konnte mich an diesem Anblick einfach nicht satt sehen. Ein nagelneuer Motor samt nagelneuem Getriebe in meiner praktisch nagelneuen 300er-Flosse. Es war ein wahnsinnig aufregender Nachmittag, und das Resultat einfach nur erhebend. Ich habe nie Drogen genommen, aber so ähnlich muss es sich anfühlen, high zu sein. Ich war es jedenfalls.

Nachdem alle Kabel angeklemmt, die Auspuffanlage eingebaut, alle Systeme (Getriebe, Servolenkung, Bremsanlage, Kühlung) angeschlossen, befüllt und entlüftet waren, wurde der Motor per Zündschlüssel gestartet, erstmalig seit 1999! Natürlich gab es noch ein paar Kleinigkeiten, die Zündung musste vernünftig eingestellt werden, das Kaltstartventil wollte nicht so recht, die Ladespannung war etwas mau, und so weiter. Aber es traten auch nach längerem Warmlaufen keine echten Defekte oder Merkwürdigkeiten auf, auch das Getriebe schaltete (auf der Bühne) unauffällig - im Grundsatz war also die "OP gelungen, Patient wohlauf"! Heute ein König!

Olaf hat in den folgenden Tagen noch alle Kupferwürmer vertreiben und Feineinstellungen vornehmen können, sodass es nun wieder allein an mir war, den Benz weiter zu komplettieren und auf die Straße zu bringen.

 


Kein Rosten beim Rasten: die Auspuffanlage

 

 

 Ergänzend noch ein paar Worte hierzu:

 

 

Die Auspuffanlage habe ich komplett durch eine Maßanfertigung aus Edelstahl erneuert. Was so teuer klingt, war in Summe ungefähr 30% billiger als die bei Mercedes erhältliche Variante in Standard-Stahlblech. Weiterer Vorteil ist natürlich, dass sie eben nicht rostet, was aber sonst, insbesondere bei wenig benutzten Autos wie zum Beispiel Oldtimern nach wenigen Jahren zu unerwünschtem Lochfraß führt.

Der TÜV-Prüfer bei der Vollabnahme hat diese VA-Anlage übrigens mit ausdrücklichem Wohlwollen zur Kenntnis genommen, zumal sie keine Abweichung in der originalgetreuen Geräuschentwicklung vernehmen ließ und lässt.

Die Anlage erwies sich als höchst passgenau, es musste nichts nachgebogen oder sonstwie abgeändert werden. Auch die leicht abweichende Gestaltung des Endtopfes machte bei der Montage kein Problem. Am schwierigsten war noch das finale Einkürzen der Endrohre, nachdem die Stoßstange angebaut und somit erst die genaue Länge bemessen werden konnte.

 

 

Dummerweise gestaltet sich das ohne edelstahltaugliche Säge recht mühsam, und an einem auf dem Boden stehenden Auto samt Stoßstange auch alles andere als ergonomisch ideal. Entsprechend "individuell" gerieten somit die Schnittkanten.... aber zum Glück kamen ja zum Schluss noch die Chrom-Abschlussblenden drauf, die diesen Makel gnädig kaschieren.


Umzug der x-te: Final Destination Harmstorf

Nachdem jetzt mein Benz und ich die Zelte bei Olaf abbrechen durften, ging es zunächst nochmal zum Lackierer. Dort waren auch die Kotflügel sowie die Motor- und Kofferraumhaube eingelagert, aus lackschutztechnischen Sicherheitsgründen. Ich hatte es ja leider dennoch hinbekommen, einen kontrollverlustbedingten Kollateralschaden (s. Kapitel Himmel-Erneuerung) anzurichten. Der Lackierer behob also diesen Schaden, sowie noch ein paar Staubeinschlüsse, währenddessen sein Karosseriebauer die Kotflügel und Hauben einpasste.

Auch dies dauerte, da "nebenbei erledigt", noch einige Zeit, sodass schließlich am 3. Juni 2008 alle externen Gewerke beendet und abgenommen waren, und endlich die Überführung der Flosse nach Harmstorf erfolgte.

Und das Beste daran: erstmals saß ich wieder selbst am Steuer und fuhr(!) den 300SE mittels seiner ihm innewohnenden 170PS an den Ort seiner finalen Komplettierung.

9 (neun!) Jahre lang war er nur durch Schieben bewegt worden...
Herzlich Willkommen auf der Zielgeraden!


Meine Waldanschauung: die Holz-Verkleidungen

Der beauftragte Fachmann in Lübeck hatte zwischenzeitlich auch die noblen Flossengehölze in altem Glanz erstrahlen lassen. Wobei, genaugenommen hat er das gerade nicht getan. Und zwar in voller Absicht: meiner Absicht. Denn ähnlich wie beim Anblick klinisch reinen, unzeitgemäßen wie duftlosen Nappaleders in klassischen Vehikeln, reagiere ich auch auf spiegelglänzende, mehrere Millimeter dicke Klarlackschichten eher ablehnend, weil das darunter erstickende Holz eher tot bis künstlich wirkt, so wie in einem neuzeitlichen Luxusmodell.

Das Holz hatte bei Auslieferung in den 1960ern natürlich auch geglänzt, aber es wirkte nicht so entrückt wie es heutige Restauratoren  meist aussehen lassen.  Ich wollte (und will) das nicht, und auch der Holzmann in HL bestätigte mich in meiner Ansicht. Und gemeinsam beschlossen wir, sogar noch einen Schritt weiter zu gehen.

Es kam ein spezieller Klarlack zum Einsatz, der in originalgetreuer Schichtstärke aufgetragen wurde. Anschließend wurde er jedoch nicht auf Hochglanz poliert sondern hauchfein mit feinster Stahlwolle behandelt. Die so erreichte, leichte Mattierung lenkt somit nicht von der feinen, eh schon etwas unscheinbaren Maserung des benz´schen Nussbaums ab, sondern erweckt eher den Eindruck einer gewissen Alterung. So wie ein originaler Hochglanz der im Laufe eines (normalen, nicht oldtimernutzungstypischen) Autolebens halt auch nachgelassen hat.

Kombiniert mit den von mir aufpolierten Chromapplikationen ergibt sich so meinem Geschmack nach ein Erscheinen eher zurückhaltender Noblesse denn sonnenköniglicher Spiegelsaal-Atmosphäre.

 

Noch ein Wort zur Farbe. Diese erscheint ungewöhnlich dunkel, und einem lästerhaft aufgelegten Kumpel entfuhr beim ersten Anblick die Frage, ob ich auf Dieselflossen-Bakelit-Ausstattung downgegradet habe. Dies kann ich ihm nichtmal so richtig übelnehmen, denn in der Tat habe auch ich vor- und nachher keine so dunkle Holzausstattung in einem 60er-Jahre-Benz gesehen.

 

 

Und auch der Fundzustand ließ zunächst auf eine eher übliche, mittelbraune Farbgebung schließen.

 

 

 

 

Jedoch stellte sich dies als Trugschluss heraus, denn das vorliegende Erscheinungsbild war nur durch jahrzehntelange UV-Einstrahlung hervorgerufen.

 Der Holzfachmann wunderte sich ebenfalls, als er an einer unbelichteten Stelle, worauf im Einbauzustand der Rückspiegel befestigt ist, auf eine sehr dunkle Originalbeize stieß. Er rief mich an, ich fuhr hin und gab ihm das Einverständnis, genau diese Färbung wieder herzustellen.

Erstens scheint es sich bei dieser Farbgebung um einen speziellen Sonderwunsch des Erstbesitzers gehandelt zu haben, der ein erhaltenswertes Detail abseits des Ausstattungs-Mainstreams darstellt.

Zweitens fand und finde ich es eine sehr schöne Ergänzung zur insgesamt bräunlichen Farbgebung meines Wagens, und in stimmiger Kombination zur ebenfalls dunkelbraunen Armaturenbrett-Polstereinfassung. Die eh dezente Nussbaum-Maserung wird dadurch zwar ebenfalls nicht gerade überbetont, aber bei Sonnenschein umso schöner wahrgenommen. Mir gefällts jedenfalls nach wie vor.


Ein großes Rad drehen: die 15"-Bereifung

 

Auf diesem zeitgenössischen Werksbild von Daimler-Benz (mit freundlicher Genehmigung des Konzernarchivs / Herrn D. Landenberger) ist gut zu erkennen, wie der Stand der Reifentechnik in den frühen 1960er Jahren war.

 

Da wurde eine bis zu 2,1 Tonnen schwere, knapp 200km/h flotte Reiselimousine auf vergleichs-weise winzige 13"-Felgen mit "Nylon-Super-Sport"-Bereifung gestellt. Nicht ohne Grund werden Diagonalreifen auch Ballonreifen genannt, denn durch ihre hohen Flanken weisen sie auch ein ähnlich direktes Richtungsverhalten auf wie die Schwebkörper am Himmel: man kann die Fahrtrichtung eigentlich nur grob beeinflussen...

Was man ihnen aber lassen muss: sie wirken in der 7,50er-Dimension des 300SE wirklich beeindruckend wuchtig und füllen die Radkästen optisch angenehm aus. Allein, fahren würde ich damit nicht so gerne...

Zumal diese Originalbereifung schon vor 20 Jahren nur noch schwer zu bekommen war. Nur ein, zwei auf Oldtimerreifen spezialisierte Adressen hatten und haben sie im Programm, und lassen sich diesen Service gut bezahlen: rund 400-450€ sollte das kosten, und zwar pro Reifen, derer man bekanntlich 5 benötigt. So so...

 

 

Dies ist neben der Tatsache, dass Diagonalreifen sich einfach schlecht fahren, der Grund, warum sehr viele Flossenfahrer schon seit den 70er Jahren auf die 14"-Radialbereifung der Nachfolgemodelle (W108/109, W114/115, etc.) umrüsteten.

Die Kröte, die man dabei jedoch schlucken muss, ist der Verzicht auf die formschön-zweiteilige Radverkleidung, bestehend aus gelochtem Zierring und kleiner, gewölbter Radkappe, siehe Bild oben. Diese gab es nie in 14"-Dimension, weswegen man hier nur auf die einteiligen, flachen Raddeckel zurückgreifen kann, siehe Beispiel nebenstehend.

Für mich ein flossentechnisches no-go! Zum Glück gab es einen Ausweg. Denn Flossen mit Sonderaufbauten, also zum Beispiel Bestattungs- oder Rettungsfahrzeuge etc., sowie die Kombiversionen "Universal" wurden werksmäßig immer mit 15"-Bereifung - und ggfs. entsprechenden Zierringen - ausgeliefert. Die 13"-Kappe blieb dabei unverändert. Dies war und ist die einzige Möglichkeit, Heckflossen mit dank geläufiger 15"-Reifengröße bezahlbarer  Bereifung UND originalem Zierrat auszurüsten. Allerdings findet man die entsprechenden Sonderaufbauten-Felgen (müssen 110er-Flossen-Teilenummer haben, damit sie auch die Nupsies zum Aufklemmen der 13"-Kappen besitzen) auch vor 20 Jahren schon nicht an jeder Ecke. Und schon gar nicht die speziellen, sehr raren 15"-Chrom-Zierringe!

 

Nein, nicht an jeder Ecke - aber bei Mercedes! Dort hatte man beim Aufräumen im Zentrallager Germersheim Ende 2004 noch einen ganzen Schwung davon gefunden, und diesen zusammen mit einer LKW-Ladung weiterer Neuteile der Teileversorgung unseres Club zum günstigen Paketpreis angeboten.

Ein Zeichen!

Nachdem das bekannt wurde, habe ich mir sofort einen 5er-Satz zu  50€/Ring gesichert - damals schon ein Spottpreis. Fehlten nur noch die zugehörigen Halteklammern. Auch die gab es noch bei Mercedes, allerdings zu 8€/Stück. Wie bitte? 4-5 davon gehören an jeden Ring, macht also 5x5x8= 200€ für dämliche Klammern? Nix da!

 

 

 

 

 

Auf dem nächsten Teilemarkt in Bockhorn fand ich unter einem der Tapeziertische einen Stapel mit acht völlig vergammelten 15"-Ringen, angeblich von einem Mercedes 300 "Adenauer".

Die Ringe habe ich für 48€ eingesackt, die Klammern abgenommen, entrostet und wie so vieles andere neu verzinken lassen, et voilá:

 

 

 

 

 

 

Anfang 2006 gelang es mir dann, bei einem Gebrauchtteilehändler fünf guterhaltene der begehrten 5,5Jx15 H2-Sonderaufbau-Felgen aufzustöbern, zu ebenfalls fairen 50€ das Stück. Ich war selig. Auf damit zum benachbarten Industrie-Strahl-und Lackierbetrieb und schon, zusammen mit ebenfalls neu verzinkten Radschrauben (ja, ich weiß, die waren original nicht gelbchromatiert, egal, sieht aber chic aus!) war das ´ne runde Sache, bzw. deren fünf.

Als es nun im Frühjahr 2008 ans Finale ging, war die Zeit für frische Pneus gekommen! Ich entschied mich für die Vredestein Sprint Classic (Format 185/70 HR15 89H), weil sie ein zeitgenössisches Profil mit halbwegs modernen Fahreigenschaften in sich vereinen. Inzwischen habe ich den zweiten Satz davon aufgezogen und kann nichts negatives darüber sagen.

Natürlich war ich sicherheitshalber vorher noch zum TÜV gegangen, und habe mir dort nach Vorlage diverser Fotos und Unterlagen bestätigen lassen, dass diese Rad-Reifen-Kombination einserseits technisch zulässig ist und andererseits auch hinsichtlich H-Zulassung keine Probleme bereitet. Letztlich zog vor allem mein Argument, dass diese Bereifung optisch näher am Original ist als die üblicherweise vorgenomme Umrüstung auf 14" mit Einheitskappen (s.o.). Als sich auch bezüglich Abrollumfang und Traglast keine nennenswerten Abweichungen ableiten ließen, war die Sache geritzt.

 


Haut rein: Die Lederausstattung, Teil 2

Es war genug erhaltenswerte und revitalisierbare Substanz vorhanden. Nur die Bezüge des Fahrersitzes und einige wenige Pfeifen sowie  eine Wange der Rücksitzbank mussten neu angefertigt werden. Außerdem die Hutablage, wegen der nachgerüsteten Zusatz-Fondheizung. Ansonsten wurden alle Bezüge komplett aufgetrennt, alle Pfeifen sowie die Sitzflächenunterlagen neu gepolstert, die Federkerne gerichtet, dann alles wieder neu zusammengenäht und schließlich, nach einigen Pflegedurchgängen zur Revitalisierung und Wiedererlangung der Geschmeidigkeit, mit frischen Farbpigmenten im originalen Farbton Creme/Champignon neu aufgefärbt.

Gleichermaßen wurde auch mit allen Tür-, Fußraum und Säulenverkleidungen, Mittelarmlehnen und Einlegern verfahren. Und einen schönen Streifen gefärbten Neuleders für evtl. später mal nötige Reparaturen gabs auch dazu.

Hierzu ist noch erwähnenswert, dass das Leder für die neu zu beziehenden Stellen in gemeinsamer Abstimmung gerade NICHT aus dem makellosen Teil der zu verarbeitenden Rinderhaut genommen wurden, sondern aus den Bereichen der "Achseln". Dort nämlich finden sich natürliche Bewegungs-Falten des Hornviehs, bei  technisch identischer Qualität wie in den optisch einwandfreien Teilen auf Rücken oder Bauch.

Vorteil: bei geschickter Platzierung dieser Bewegungsfalten in den Sitzwangen erzielt man dort die gewollt patinierte Optik eines gebrauchten Sitzes - ohne jedoch die entsprechende Materialschwächung, die eine nutzungsbedingte Falte mit sich bringt. Und genau so präsentiert sich das bis heute auf meinem Fahrersitz: von Anfang an nicht faltenfrei, aber immernoch vollkommen stabil ohne Anzeichen einer Schwächung in den Falten.

 

 

Auf drei mannshohen Paletten in ungefähr zwei Kilometer Luftpolsterketten und -Folien verpackt, lud die Spedition das komplette Lederkonvolut beim bekannten Profi-Restaurierbetrieb in HH-Mitte ab.

Nun war schnelles Handeln angesagt, denn diese sperrige Lieferung blockierte die komplette Werkstattzufahrt im gut frequentierten Normannenweg.

Eines Tages im Frühjahr 2008 war sie dann also fertig. Erst? Ja. Wozu auch früher? Zudem wirken sich entspannte Terminsetzungen gerne positiv auf die Preisgestaltung des ausführenden Betriebes aus - so auch hier.

Ich erhielt die Fertigmeldung und hatte nun ein logistisches Problem. Nochmal einen Bulli mieten und Urlaub nehmen um alles abzuholen war unattraktiv. Man bot mir einen Versand an, gutverpackt und erfahrungsgemäß sicher. Wäre halt nur "viel", also man könne das alles schlecht kurz an der Haustür annehmen. Ich konnte daraufhin meinen inzwischen wohlbekannten Profiwerkstattinhaber überreden, die Ware für mich anzunehmen, mit dem Versprechen sie schnellstens dort abzuholen.

Wenige Tage später kam dann der Anruf von dort, dass eine Risensendung für mich abgeladen wurde, die ich bitte sofort(!) abholen möge weil sie den Betrieb lahmlegt. Also habe ich spontan den Nachmittag freigenommen,  bin mit dem Babybenz von Stade in die Hamburger City gedonnert und staunte.

Zweieinhalb Touren mit dem nicht als Transportwunder bekannten 190E, vollgestopft bis unters Dach mit edlen Lederwaren,  von HH-Mitte bis in die Scheune im fernen Harmstorf brauchte es, um den ernsthaft behinderten Werkstattverkehr wieder zu ermöglichen. Und ich war glücklich. Dieser Anblick! Dieser Duft! 

Nun konnte es der Flosse endlich so richtig ans Leder gehen.

Aber erstmal auf dem Teppich bleiben. Oder sogar darunter:

Der komplette Bodenbelag, also nicht nur die Fußmatten sondern auch die entsprechenden Verkleidungen der Schweller und Querträger sowie des Mitteltunnels, mussten selbstredend ebenfalls erneuert werden. Passender Ersatz in ansprechender Colorierung fand sich bei einem etablierten Oldtimerteppich-Anbieter nahe Hannover. Die werksmäßige Unterfütterung der Fußmatten war hierbei zwar nicht gegeben, aber das regelte ich über Meterware eines auf Oldtimer-Dämmstoffe spezialisierten Händlers im Ruhrgebiet, die ich passend zuschnitt und unterlegte. Auf die korrosionsfördernde Fixierung der Fußmatten via im Bodenblech verschraubter Druckknöpfe verzichtete ich an dieser Stelle originalitätsmissachtend.

Mit Einzug der ledernen Wohnlandschaft wurde der 300SE so langsam wirklich wieder zu einem Automobil.

Er bekam nun seine "Nutzeroberfläche" zurück, die ihn nicht nur funktionieren sondern auch genießen lässt.


Einstiegs-Hürde: Die Schweller-Gummibeläge

Nun stand eine Aufgabe an, vor der ich mich etwas scheute, da sie professionelles Pfuschen beinhaltet. Die geriffelten Gummibeläge auf den Türschwellern wollten erneuert werden. Die alten waren spätestens bei der Demontage unrettbar zerstört worden, denn vollflächig verklebte Gummibeläge sind nach 40-50 Jahren halt steinhart und nur mit groben Mitteln zu entfernen.

Nun sollte man meinen, dass solche Gummibeläge spätestens im Zubehör noch als Meterware zu bekommen sein sollten. Das war und ist auch so, entspricht aber nicht so recht meinem Originalitätsanspruch, denn im Original sind sie halt mehrdimensional und passgenau ausgeformt. Und es gab sie tatsächlich noch regulär bei Mercedes zu bestellen, wenn auch nur in einheitlich-langweiligem Grau.

Und: natürlich auch genauso einheitlich nur für Heckflossen im Standardmaß, also mit Normal-Radstand. Für meine Langversion brauchte ich aber im Fondtürbereich 10cm längere Beläge... Also blieb mir nichts anderes übrig als die hinteren Beläge doppelt zu ordern, und daraus zwei passende Zuschnitte anzufertigen:

Glücklicherweise hatten zwei der alten, hinteren Beläge ihre Demontagen zumindest so gut überstanden, dass sie noch als Vorlagen dienen konnten. Erstaunlicherweise waren sie auch nicht über die Jahre geschrumpft sondern passten immer noch millimetergenau. Dadurch konnte ich umständliche Zuschnittversuche und risikoreiches Hantieren mit dem Cuttermesser am frischen Lack vermeiden. Stattdessen legte ich zwei neue Beläge versetzt auf einen alten Belag, fixierte alle unverrückbar, sendete ein oder zwei Stoßgebete Richtung Gottlieb und setzte den allesentscheidenden Schnitt.

Der Mut wurde belohnt, es passt super. Der Schnitt, also der Stoß der zwei Belagstücke  ist im montierten Zustand praktisch unsichtbar. Ich habe sie dann wieder vollflächig mit orntlich Pattex auf die Schweller geklebt und bis heute hat sich entgegen meiner Erwartung keinerlei Veränderung, kein Öffnen einer Stoßfuge o.ä. ergeben. Und auch mit dem Mausgrau kann ich noch immer gut leben.

 


Unnützer Kram: Aschenbecher & Zigarrenanzünder

Auch beim Innenraum fallen einem beim Zusammenbau immer wieder Dinge aus den hinteren Ecken des Teileregals in die Hand, die man gar nicht so auf dem Schirm hatte, aber dennoch nicht außer Acht lassen kann. Zum Beispiel die Raucheraccessoires, die selbst -oder gerade- bei Mercedes zur Serienausstattung gehörten, obwohl man von dort ja eher gewohnt ist, aus ellenlangen Optionslisten jedes noch so banale Zubehör separat ordern und bezahlen zu müssen. In den 1960ern jedoch war das Rauchen noch so selbstverständlich wie Toast Hawaii und Weinbrandbohnen. Somit ist auch die Topflosse werkseitig ungefragt mit einem Zigarrenanzünder und drei Aschenbechern ausgestattet.

Und diese wurden auch genutzt. Entsprechend hatte ich zunächst wieder gewissen Reingungs- und Entrostungsaufwand zu betreiben, denn wer will schon in seinem vollrestaurierten Benz sitzen und bei Entsorgung zum Beispiel eines Bonbonpapiers (ich rauche seit 2007 nicht mehr) in einen stinkenden, schwarzbraun verkrusteten Ascher blicken müssen. Nach der mechanischen Grundreinigung aller vorhandenen Becherteile aus beiden Flossen gab ich einfach alles zum Blauchromatisieren, und suchte mir anschließend die besten Teile heraus, um einen schönen Satz für den Wiedereinbau zusammen zu stellen.

Hier der vordere Ascher:

Die Chromgehäuse ließen sich zum Glück mit intensiver Politurbehandlung wieder zu schönem Glanz bringen. Der Zigarrenanzünder benötigte einfach nur gründliches Putzen, sowie eine neue Zündpille. Das ist das Teil welches elektrisch durchströmt zum Glühen gebracht wird, und dadurch die herangeführte Rauchware entzündet. Ein Standardteil, noch leicht und billig  erhältlich, welches einfach raus-/reingedreht wird, also keine nennenswerte Aktion.

Schwieriger war da die Frage, wie das Aufarbeiten der Tapezierung der beiden Fond-Aschenbecher erledigt werden könnte. Diese waren mit schaumstoffunterlegten, braunen bzw. schwarzen Kunstledereinlagen bestückt. Einerseits hatte sich die Schaumstoffunterfütterung komplett verabschiedet, sodass die sowieso unschönen Kunstlederinlays auch noch plattfaltig in den Rähmchen schlabberten. Also weg damit.

Eigentlich hätte im Sinne von Originalität wieder eine zur Innenausstattung/Türverkleidung kontrastierende Farbe gewählt werden müssen. Aber auch hier nahm ich mir die Freiheit des Zahlenden, eigenen Vorstellungen zu folgen. Also griff ich ein Reststück cremefarbenen Echtleders welches von der Heckscheibeneinfassung übrig war und schnitt daraus zwei passende Inlays. Anschließend belegte ich diese rückseitig und lose mit etwas kleineren, 5mm dünnen Schaumgummipölsterchen, spannte das Ganze in die Chromrahmen und schaute, was dabei herauskam.

Also.... ich hab's direkt so gelassen und eingebaut. Und auf den fehlenden Kontrast pfeife ich immer noch.

 


Steuer klasse: das Lenkradpolster

Bei diesem stets direkt im Sichtfeld liegenden Ausstattungsdetail kann man - nach meiner Meinung- es sich nicht so einfach machen wie bei den Ascher-Bezügen der Fondtüren. Das Polster kann man nämlich nicht entsprechend zerlegen. Befreit man es von Chromring, Stern-Inlay und Grundplatte, hält man ein schaumgefülltes Kunststoffspritzteil in der Hand. Ist in der lebernarbigen Oberfläche ein Riss oder gar ein Loch, kann man es eigentlich nur entsorgen, da Reparaturversuche aufgrund des flexiblen Unterbaus scheitern oder in einer optisch unbefriedigenden Weise enden. Eines meiner beiden Polster war ohne Risse oder Löcher, aber total UV-verbräunt wie so ziemlich jedes originale Polster bei Lenkrädern in elfenbeinfarbiger Ausführung.

Ein Beziehen mit frischfarbigem Leder, wie man es häufig in restaurierten Benzen sieht, scheidet für meinen Geschmack aus. Denn die zusätzliche Lederschicht trägt zu dick auf, das Stern-Inlay passt nur noch halb hinein und der äußere Chromring kann nur mit Müh und Not drumgequetscht werden.

Auch das Verwenden eines seinerzeit noch von Mercedes lieferbaren Neuteils kam nicht in Frage weil es a) schon damals ca. 200€ kostete und b) seine Oberfläche unschön aufgequollen daherkommt, und vor allem eine völlig abstrus-grobe Oberflächennarbung aufweist. Ich aber wollte die feine Echtlederanmutung bewahren.  Also wagte ich auch hier, ermutigt vom Erfolg bei den Sonnenblenden, den Versuch einer Neufärbung mit Vinyl-Farbspray.

Auch das Inlay mit dem Sternsignet hatte im Laufe der Jahrzehnte etwas an Strahlkraft verloren. Die Oberfläche war abgestumpft, der Chromrand etwas oxidiert und auf der Rückseite blätterte die Farbe. Da ich ja auch hiervon zwei zur Auswahl hatte, probierte ich zunächst am Schlechteren eine Idee zur Rettung.

Auf der Vorderseite konnte dem äußeren Chromring per Chrompolitur, und der matten Oberfläche mittels Kunststoffpolitur zu altem Glanz verholfen werden. Auf der Rückseite hingegen knibbelte ich mit Reißnadel und Cuttermesserspitze extremst vorsichtig und entsprechend lange die verbliebenen Farbreste ab, schliff die Oberfläche dann feinst an und säuberte sie penibelst von Staubkörnchen. Meine Erwartung in Anbetracht der nun mattierten Rückseite war nicht besonders optimistisch.

Dann lackierte ich sie im gleichen Zug wie das Lenkradpolster in mehreren dünnen Schichten über, et voilá, wär ´ätte das gödacht! Perfekt! Polster und Inlay - wie neu! Dann habe ich das besser erhaltene Inlay nach gleicher Methode erfrischt und es komplettiert - in originaler 1964er Anmutung- montiert.

 

 

 

 

Das Inlay sieht nach 13 Jahren heute noch immer so gut aus, und das Polster zeigt inzwischen wieder erste, nur ganz leichte Vergilbung. Mal sehen, ich habe noch was von dem Vinyl-Farbspray. Oder ich lasse es so, denn ich selbst sehe ja auch nicht mehr aus wie 2008...

 

 

 

 

 


Mehr Lametta! Montage restlicher Chromteile

Einige der unzähligen Chromapplikationen mit denen der W112 ab Werk dekoriert ist, hatte ich schon vor oder während des Aufenhaltes in Olafs Werkstatt angebaut. Nun folgte noch das, was erst mit der Komplettierung der Karosserie beim Lackierer möglich war. Also Scheinwerfer, Stoßstangen, Zierleisten an den Flügeln, Schwellerblenden, Kühlergrill und so weiter und so fort.

Was sich nach Routine oder Fleißarbeit anhört, ist dennoch mit viel gebotener Sorgfalt und innerer Anspannung verbunden. Denn Pfusch an sichtbaren Teilen, zum Beispiel durch nicht fluchtende Leisten oder auch nur leicht schiefe Ausrichtung von Stoßstangen, sind sofort für jeden Laien erkennbar und beeinträchtigen den Gesamteindruck unnötig. Hinzu kommt, dass man dabei wieder in unmittelbarer Nähe oder sogar in Kontakt mit den makellosen Lackoberflächen arbeitet. Noch eine überflüssige Lackschadensbeseitigung wollte ich unbedingt vermeiden. Somit war ein ruhiges Händchen und häufiges, SEHR tiefes Durchatmen, am besten draußen vor der Scheune, sehr angeraten.

Wie man den Bildern entnehmen kann, hatte ich das Glück, viele nagelneue Original-Ersatzteile zu beschaffen. Dabei muss man bedenken, dass ich ja auch beinahe 15 Jahre Zeit dafür hatte, immer Augen und Ohren dafür offen zu halten. Und um die Jahrtausendwende herum gab es halt auch noch einigermaßen humane Preisvorstellungen für Flossenteile. Und den Club mit seiner extrem rührigen Teileversorgung für Mitglieder.

Da tauchten zum Beispiel neben den schon erwähnten 15"-Chromring-Raritäten auch nicht weniger seltene, originalverpackte, glanzeloxierte Schweller-Riffelblenden für meine Langversion auf. Die darauf zu montierenden Chrom-Profilschienen für die Gummiprofile lagen wiederum in jungfräulichem Zustand bei einem anderen Clubmitglied in Braunschweig im Regal, und die brachte dann bei Gelegenheit ein weiteres, freundliches Mitglied vom Stammtisch Hannover zu mir nach Hamburg. 112er-Piloten müssen gut vernetzt sein...

Viele andere Dinge habe ich allerdings auch neu verchromen lassen, entweder aus der Not der Nichtverfügbarkeit von Neuteilen heraus, oder weil diese zwar verfügbar aber schon damals unverschämt teuer waren. So zum Beispiel der Kühlergrill-Rahmen oder die Einstiegsleisten. Auch die Stoßstangen sind neuverchromt, ich hatte sie schon Mitte der 90er beim Club gekauft, als der eine Sammel-Aufbereitungsaktion in den USA gestartet hatte. Diese musste ich dann nur noch mit originalgetreuer Rostschutzlackierung auf den Innenseiten versehen.

 


Tadaa! Fertig!                          Fertig?                                Wirklich?

21. Juni 2008. Kaum 15 Jahre nach Kauf schon war das Werk vollbracht. Ich schraubte ein paar noch vom 280SE herumliegende Kennzeichen zur Tarnung an den Wagen, und fuhr eine kurze Runde durch Harmstorf, um zu sehen ob das alles wahr sein kann.

Natürlich war es irgendwie ungewohnt: das Gaspedal war schwergängig, die Lenkung irgendwie auch, und der Motor spotzte etwas herum, aber: er fuhr, schaltete, lenkte und bremste! Auch das Radio spielte, die Lüftung pustete, die Lichter leuchteten, der Wischer wischte, und so weiter.

Ich war irgendwie platt. Nicht nur rein physisch, denn in den letzten 4 Wochen hatte ich 10-12 Stunden täglich meinen gesamten Jahresurlaub und sonstige freie Stunden mit der Endmontage verbracht. Nein, auch mental war ich noch nicht soweit wie es die Flosse anscheinend war.

Bin ich jetzt etwa tatsächlich durch mit dem Projekt?

Nach so vielen Jahren, Kohlen und Nerven die es mich kostete?

OK, vorn stand sie noch etwas hoch, da musste ich die Luftfeder-Ventilstangen noch etwas korrigieren. Und die Bordkanten-Chromleisten an Front- und Heckscheibe fehlten auch noch, weil ich sie partout nicht montiert bekam. Hier wollte ich aber auch keinen neuerlichen wut- oder unwissenheitsbedingten Lackschaden anrichten, und habe deren Montage dann lieber einem Profi in Hamburg überlassen.

Nicht, dass ich zu den Leuten zählen würde, die ihre Autos nach jeder noch so kleinen Spritztour sofort waschen und polieren müssen. Aber natürlich habe ich über Wochen mit zahlreichen Schmier- und Konservierungsmitteln am Wagen im wahrsten Sinne herumhantiert, und demenstprechend fettbefingert sah er auch auf jedem Blech- und Chromteil aus. Und außerdem wollte ich ja schonmal ein paar Bilder machen, um es dann vielleicht beim Betrachten dieser am Abend, mit einem Bier, oder zwei, vielleicht doch glauben zu können, was ich da vor mir sah.

Nun ging es nochmal Schlag auf Schlag: am nächsten Tag zur Zulassungsstelle, Kurzzeitkennzeichen besorgen. Tags darauf dann die Überführung auf Schleichwegen gut 50km über Land. Ich habe Blut und Wasser geschwitzt: die erste "Fahrt" nach Jahrzehnten, in einem nicht eben schlicht konstruierten Auto, das ich Laie als Erstlingswerk selbst zusammenschraubte - nie zuvor oder danach habe ich mich so gefreut, aus dem Elbtunnel herausgefahren zu kommen. Es ging direkt zu oben genanntem Profi namens Carsten in seine Mercedes-Oldtimerwerkstatt in  HH-Bahrenfeld.

Carsten baute mir die noch fehlenden Chromleisten an die Panoramascheiben, sorgte für korrekte Spur- und Sturzeinstellungen der Vorderachse, merzte nebenbei noch einen von mir gebauten Mist aus (Lenkungskupplung falsch montiert, daher ging sie so schwer und stellte auch nicht selbsttätig zurück...), und schaute auch ansonsten nochmal nach dem Rechten.

Denn die nächsten Stationen waren TÜV-Vollabnahme, H-Kennzeichen-Begutachtung, Wiederzulassung. All das geschah in einer Art Gewaltakt, nämlich an ein und demselben Tag - wenn schon, denn schon! Und so wurden an einem sonnigen Mittwoch, dem 25. Juni 2008, auch alle bürokratischen Klippen ohne Malheur oder Einschränkung erfolgreich umschifft und die Flosse, meine 300er Flosse, schließlich unter der (lange, lange reservierten) Nummer HH-MY 112 H wieder auf den Verkehr losgelassen!

 

Am 26. Juni fuhr ich zum Wertgutachter, der mir eine "1" ins Zeugnis schrieb. Schon immer ein eher seltenes Ereignis für mich, aber nie habe ich mich so über diese Note gefreut wie an diesem Donnerstag.

 

Am 27. Juni traute ich mich dann, meine Liebe Astrid auf eine erste, kleine Stadtrundfahrt einzuladen. (Einige Monate später fuhren wir dann per Flosse sogar zum Standesamt - im Winter(!)- doch dazu später mehr!)

Auf einer kleinen Brücke am Feenteich entstanden dann bei sinkender Sonne die ersten "offiziellen" Fotos, mit denen ich stolz im Clubforum die Fertigstellung vermeldete, und mich bei allen bedankte, die zu diesem Ergebnis mit Rat und Tat beigetragen hatten. 

Projekt fertiggestellt.

Naja. Wirklich fertig ist man ja nie. Gerade in der ersten Zeit traten natürlich noch so einige Wehwehchen auf, die mitunter für Kopfzerbrechen oder auch Schweißausbrüche sorgten. Zum Beispiel als ein paar Tage später während der Fahrt plötzlich Qualm und Gestank aus dem Armaturenbrett quoll... das Poti der Instrumenten-beleuchtung war abgeraucht.

Oder plötzliches Motor-Absterben und Nichtwiederanspringenwollen - kommt im Hamburger Stadtverkehr auch gut.... Oder die wohl doch zu lange eingelagerte Einspritzpumpe, die aufgrund innerer Verharzung plötzlich zu völliger Überfettung und damit zu einem Auspuffqualm führte, der dem eines Containerschiffs ebenbürtig war. Oder das Lenkgetriebe, welches dann doch irgendwann zu Undichtigkeit neigte und 2013 gegen ein (günstig geschossenes) Neuteil ersetzt werden musste. Genau wie der Anlasser, der schon 2010 aufgab. Oder das Versagen des Wegfahrsperrenschalters am Morgen meiner Hochzeit, bei 3 Grad über Null in der Box eines Waschparks... oder, oder, oder.... Es gibt auch noch heute kleine Eigenarten denen ich mich "später mal in Ruhe" widmen wollte... Was solls. Es ist ja mein Auto.

Und auch wenn ich dieses mein Traumauto nur für mich aufgebaut habe um es selbst zu genießen, so wäre es doch geheuchelt, würde ich behaupten, dass mir Anerkennung von außen egal wäre. Natürlich freut es mich, wenn mein Wagen auch anderen Leuten gefällt, und sie dies kundtun. Ob an der Tankstelle, unter Freunden oder im Hobbyumfeld.

 

 

So zum Beispiel, als ich Ende 2010 gefragt wurde, ob ich die Flosse als Exponat für den 2011er Clubstand auf der mit bis zu 200.000 Besuchern weltgrößten Oldtimermesse, der Techno-Classica in Essen, zur Verfügung stellen würde. Na logisch!

 

Und man liest positive Kommentare ja auch gern, wie im Nachgang zu diesem "Auftritt" in diversen Oldtimer-Internetplattformen, bis hin zu südafrikanischen und australischen MB-Clubforen.

 

 

 

Joh, und als 2013 das von mir seit Jahrzehnten gelesene Magazin "Oldtimer-Praxis" eine Titelstory zum Thema 300SE W112 bringen wollte, habe ich mich auch nicht geziert, als 112er-Kollege Jörg mich fragte, ob ich da mitmachen würde. Das war insgesamt auch eine interessante Erfahrung, mal mitzubekommen wie so eine Geschichte "gemacht" wird. Leider spielte das Wetter nicht so recht mit, aber irgendwas is ja immer...


ENDE (?)