Ford Taunus 15M P6 Turnier, Baujahr 1968, Weiß

"Ist das ein Wartburg?" ... "Oder ein Lada?"

Hmpf...

OK, es war Wendezeit, als ich mich an mein erstes Oldtimerprojekt machte. Da fuhren ja plötzlich so einige skurrile Autos in bundesrepublikanischen Gefilden herum. Solche, die man als Wessi nie zuvor gesehen hatte, geschweige denn zuordnen konnte, so man denn nicht ein bisschen autoaffin war. Also sah mein Auto für eben jene Unbedarften wohl tatsächlich erstmal wie eines dieser Bruderstaats-Vehikel aus, mit dem die ostgotische Verwandtschaft zu Besuch ist.

Und nochmal OK, auch ich selbst hatte die Baureihe P6 von Ford zuvor kein bisschen auf dem Schirm. Den Taunus P3 kennt man als die berühmte Badewanne, gut. Und ein Rockabilly-Fan aus dem Nachbarort fuhr ein schickes, rotweißes P5-Coupé, ja. Und die P7-Modelle kennt man ja noch zuhauf aus eigener Kindheit. Aber einen P6?

Marcus, einer meiner ältesten und besten Kumpel schon seit Kindertagen, der obendrein meine Leidenschaft für (alte) Autos teilt und schon gemeinsam die Mofa-Phase mit mir durchlebte, war zu jener Zeit mit der Tochter des Inhabers eines ortsansässigen Tankstellen- und Werkstattbetriebes liiert. Wie praktisch!

Als eines Tages ein ebenso lokal verwurzelter Krämerladenbetreiber verstarb, stand dessen ziemlich rostiger 1970er Ford Taunus 12M Turnier an besagter Tankstelle für kleines Geld zum Verkauf. Mein Kumpel fand irgendwie Gefallen an diesem kantigen, weißen Auto. Dass Fords P6-Baureihe kein echter Verkaufserfolg war, fand seinen Grund, da ist sich die Szene relativ einig, vor allem in seinem furchtbar langweilig-biederen Auftreten. Auch die seltsame Kombination aus kleinen V4-Motoren und damals neumodischem Frontantrieb trug ihren Teil dazu bei, dass der P6 ein Mauerblümchen blieb, und als Kombiversion "Turnier" umso mehr zum raren -aber nicht gesuchten- Exoten geriet.

Dies, und die oben geschilderten Umstände, die die notwendigen Reparaturen von Blech, Technik und Lackierung zu einem finanziell überschaubaren Unterfangen machen würden, ließen Marcus zuschlagen. Es entstand über einige Monate mit viel Aufwand und Liebe zum Detail ein echtes Schmuckstück - soweit das bei einem P6 möglich ist - in quasi Neuwagenzustand. Damit konnte man sich wirklich sehen lassen, und das tat Marcus dann auch, im Alltag. So kam es, dass er bald von einer Passantin in Lemgo auf den Wagen lobend angesprochen wurde, mit der Bemerkung, dass ihr Vater auch noch genauso einen Wagen hätte, den er gern in gute Hände verkaufen würde. Marcus glaubte nicht daran, dass da wirklich noch so ein kariertes P6 Turnier-Maiglöckchen zum Verkauf steht, sondern nur etwas "ähnliches", man kennt das ja.  Es wurde dennoch ein Besichtigungstermin vereinbart, und als das Garagentor aufging, machte er große Augen! Denn dort stand tatsächlich ein P6 Turnier, ebenfalls in Weiß, nur als 15M! Und als i-Tüpfelchen: ebenfalls wie sein 12m mit dem seit 1973 nicht mehr ausgegebenen LE-Kennzeichen (Landkreis Lemgo), UND seinen Initialen UND seinem aktuellen Alter: LE-MK 21!              Ein Zeichen!!

Um es etwas abzukürzen: natürlich musste ich dieses Auto kaufen, welches auch noch aus meinem Geburtsjahr 1968 stammt. Leider war es ebenfalls in sehr heruntergekommenem Zustand, was der über 80jährige Erstbesitzer allerdings -logisch- nicht so dramatisch sah. Aber man wurde sich am 01.12.1989 bei 900,-DM handelseinig.

Der gute, wirklich freundliche Mann drückte mir dann großzügigerweise noch zwei angebrochene Farbspraydosen unterschiedlicher Weißtöne in die Hand, mit denen er kleine Schönheits"reparaturen" auszuführen pflegte, wie zum Beispiel an den kompletten Radläufen, Schwellern, und sonstigen Kleinigkeiten... Er brauchte die weiße Farbe nicht mehr, weil sein neuer Wagen, ein Escort Turnier aus den späten 70ern(!?), ja nunmal beige sei. Äh, ja.

Es wurde mein erstes  Oldtimerprojekt, meine Eltern schüttelten den Kopf als ich damit auf den Hof zuckelte, fanden's aber immerhin besser, als wenn ich irgendwelchen (anderen) Drogen anheim fiele.

Tja, und natürlich wuchs sich die geplante Instandsetzung zur Komplettrestaurierung aus. Echte Lichtblicke gab es dabei aber auch: der Wagen entstammte einer Sonderauflage "Weiße Serie", siehe Werbeanzeige oben, die mit allen verfügbaren Extras ausgestattet war - sehr schön! Noch besser: die völlig verschlissenen Sitzbezüge entpuppten sich als maßgefertigte Schonbezüge, unter denen sich die originalen, roten Brokat-Stoffsitze in nahezu makellosem Zustand präsentierten! Herrlich! 

Mit Marcus trieb ich einen Haufen originaler Blech- und Technik-Ersatzteile in alten Ford-Autohäusern und bei spezialisierten Händlern auf. Die Karosserie- und Lackierarbeiten wurden wieder in/über die elterliche Werkstatt von Marcus' Freundin ausgeführt, was die Kosten bestmöglich im Rahmen hielt. Am Ende kamen aber doch einige Tausender zusammen. Egal, das Ergebnis nach 4 Monaten Wiederaufbauarbeit überzeugte; sogar meine Eltern - kein Wunder, denn das "M" im Modellnamen steht bei Ford schließlich, kein Witz, für "Meisterstück"! 

Die Wiederzulassung des zweiten quasi-neuwertigen P6-Turniers im (ganzen?) Lande erfolgte am 20.04.1990, natürlich wieder auf die alte, erhaltenswerte LE-Nummer. Der gambiarote Golf wurde verkauft, und der 15M diente fortan als mein ganz normales Alltagsauto. Marcus und ich fuhren natürlich gern in Doppelpack mit unseren Taunüssen zu Oldtimertreffen, und sie waren stets, selbst auf reinen Ford-Treffen, ein bestauntes Exotenpärchen. Wow, gleich zwei P6! Und beide weiß! Und beide als Turnier!! Und beide aus Lemgo! Und beide in Topzustand! Und beide Modellvarianten: 12M und 15M!

Wobei sich vermutlich trotzdem auch der eine oder andere Besucher fragte: warum restauriert man sowas?

Das stimmt wohl. Selbst heute, 30 Jahre später, ist es ein völlig unwirtschaftliches Unterfangen, einen P6-Taunus mit soviel Aufwand herzurichten. Darum macht es auch - immer noch - k(aum)einer. Der nach wie vor moderate Marktwert wird von den Restaurierungskosten locker überschritten. Das gilt zwar auch für viele andere Oldtimer, aber die sind dann meist halt wenigstens irgendwie ... hübscher ...

Marcus verkaufte seinen 12M nach zwei Jahren Richtung Norddeutschland, wo sich die Spur dann verlor.

Ich habe den 15M, der bis auf  Lichtmaschine und Vergaser recht zuverlässig und entschleunigend (55PS aus 1,5 Litern Hubraum, Lenkradschaltung) 1,5 Jahre lang seinen Alltagsdienst tat, zunächst eingemottet als ich mit dem Studium begann. Ich wollte ihn nicht auf der Autobahn bei den Wochenendfahrten verschleißen. So stand er dann nochmal 2 Jahre in der Scheune der Oma meiner Freundin. Irgendwann wurde klar, dass das keine Dauerlösung sein wird, sich die Umstände ändern etc., und so verkaufte ich ihn an ein ausgesprochenes P6-Fan-Pärchen (was es nicht alles gibt!) aus Lemgo(!), das diesen Wagen bis heute(!) hegt und pflegt und bewegt. Er ist mittlerweile mindestens zum 2. Mal durchrestauriert und in Topzustand - und noch immer mit der Nummer LE-MK 21. Schönes Schicksal für so ein vermeintlich-hässliches Entlein, finde ich.

 

 

 

 

Alles mus raus, alles muss neu!

 

 

 

 

 

 

12M fertig, 15M im Werden.

 

 

 

 

 

Das Runde muss neben das Eckige. Soll heißen, der 12M hat runde Scheinwerfer, der 15M eckige.

 

 

 

 

 

Auch ein Schlachtwagen zur Kleinteilegewinnung wurde schon für Marcus' 12M-Projekt angeschafft...

 

 

 

 

 

 

Frisch vom Lackierer!

Nun kommt die schönste Arbeit:

der Zusammenbau!

 

 

 

 

 

 

Gemeinsames Aufschlagen

auf einem Ford-Treffen im Ruhrgebiet.

 

 

 

 

 

 

Roter Brokatstoff!

Wer sagt, dass erst Mercedes 10 Jahre später

mit dem T-Modell den Edelkombi erfand?

 

 

 

 

 

 

Auch tote P6-Limousinen mussten auf unseren Ersatzteiljagden dran glauben...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Ich mag meinen 15M!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schön wars!