Mercedes-Benz 200D 2.5 W124, Baujahr 1991, Blauschwarzmetallic

Dieser brummelige Geselle stand ab Juli 2011 vor unserem Haus, mit der einem Statement gleichkommenden Zulassung ME-TT 1313. Dabei mag ich Fleischzubereitung dieser Art gar nicht...

 

Der Mercedes-Benz W124 als Diesel rückte in mein Blickfeld, als ich bei meinem Arbeitgeber ein Projekt übernahm, wofür ich täglich eine Strecke von über 90km zum Ort des Geschehens zurücklegen musste. Zwar fast ausschließlich über die Autobahn, aber leider auch immer um Düsseldorf herum... also war automobiltechnisch Langmut angesagt.

Sparsam und stoisch, was liegt da näher als ein Dieselbenz? Ein guter 123er war mir dafür schon zu schade, einen 190er hatte ich schonmal, also sollte es ein 124er sein dem ja ebenfalls der Ruf der Unzerstörbarkeit vorauseilt.

Bei einem typischen Fähnchenhändler nahe Köln wurde ich nach einigem Suchen schließlich fündig. Ein innen sehr gepflegter 250D in vornehmer Farbkombi, mit serienmäßigem, sehr willkommenem Fünfganggetriebe nebst Lederlenkrad, el. Schiebedach, el. Fensterheber vorn, 4 Kopfstützen, 5 Alufelgen, und 1 Werks-Beckerrradio im Wurzelgehölz. Also alles an Bord was nötig ist. Nur 125tkm auf der Uhr, durchaus glaubwürdig und scheckheftbelegt. Absolut kein Fitzel Rost an Radhäusern, Kotflügeln oder Wagenheberaufnahmen. Probefahrt absolut unauffällig. Und mit 2.600€ durchaus echt fair bepreist - wo also war der Haken?

OK, ein leicht beschlagener Scheinwerfer. Unschön. Gut, eine derbe Schramme auf der rechten Hintertür und anschließenden Seitenteil. Ärgerlich. Und unter den leicht ondulierten Sakkobrettern der rechten Türen war zu erahnen, dass auch die Türhäute darunter eingedrückt waren. Auch blöd, weil ggfs. teuer. Ringsrum kleine Macken im Lack, selbst auf dem Dach! Hm, na gut, soll ja nur ein Alltagswagen sein.

Aber all das war nicht der Haken, weshalb noch niemand vor mir den Wagen trotz mobile-Inserierung gekauft hatte. Was scheinbar jeder Interessent außer mir sah, war eine nach innen durchgepfiffene Zylinderkopfdichtung. Ich hingegen musste mir das erst nach Kauf -natürlich "von Privat, Bastlerfahrzeug ohne Gewähr"- von einem MB-Schrauber in meinem Wohnort erklären und mit ein paar anderen Kleinigkeiten (Hydrostößel etc.) für teuer Geld aus der Welt schaffen lassen.

Ich ließ auch gleich noch einen Oxikat (war nur noch schwer aufzutreiben!) einbauen, was die Steuerlast sofort senken, und die Wiederverkäuflichkeit später erhöhen sollte. Ansonsten attestierte der MB-Spezi mir einen sehr ordentlichen Zustand des Wagens. Somit war ich beruhigt und der Preis war auch inklusive der Reparaturen immer noch "gut" für einen gepflegten 124er Ersthand-Diesel mit so wenigen Kilometern - wenngleich mit oben beschriebenen Lackmängeln behaftet.

Den Scheinwerfer bekam ich dicht, die vorderen Blinker ersetzte ich durch weiße, das hatte mir bei meinem 190er schon gut gefallen. Es gelang mir, einen Satz rechte Sakkobretter im korrekten Farbton Altograu aufzutreiben, um die eingedrückten Teile am Wagen zu ersetzen. Beim Austausch wurde mir allerdings erst klar, wie stark die Türen selbst durch den Streifschuß Schaden genommen hatten. Zwar hätte man das unter den Sakkos weiterhin nicht groß gesehen, aber wenn man sowas erstmal weiß... stört´s einen doch, gell.

Also im Internet nach Ersatz Ausschau gehalten, und doch tatsächlich irgendwann einen Satz rechte Türen in Blauschwarzmetallic gefunden. Originallack, und auch noch aus demselben Baujahr 1991 (was somit keine Farbtonunterschiede mit sich bringen sollte), zusammen für schmale 150€. Standort im fernen Salzgitter, aber: der Verkäufer war zwei Wochen später zu Besuch im nahen Essen, und dort konnte ich sie dann übernehmen. Bei diesem Deal passte einfach alles  - man muss halt auch mal Glück haben.

Und tatsächlich: die Türen waren in Lackzustand und Farbton 100% passend zu meinem Wagen, und nach einem Nachmittag Schrauberei war der Schaden aus der Welt als ob es ihn nie gegeben hätte!

Jaa, das eine Sakkobrett passte farblich doch nicht so hundertzentich... Aber die Türen... ? Top!

Der geneigte Leser wird sich ob der in der Überschrift genannten Modellbezeichnung verwundert am Kinn reiben, und das zu Recht. Denn das ist eine Eigenkreation, die meiner Schwäche für klassische Merceden geschuldet ist.

Kleiner Exkurs dazu: eigentlich, in früheren Zeiten, korrelierte die Typbezeichnung bei Mercedes (und auch bei BMW) mit der Größe des Motors bzw. dessen Hubraum. Als Ende der 60er Jahre die größervolumigen V8-Motoren mit 3.5 Litern (in USA auch 4.5 Liter) in den S-Klassen W108 bzw. W109 erhältlich wurden, konnte man jedoch nicht einfach 350SE oder 450SEL auf deren Kofferraum schreiben. Denn die stahlgefederten 280SE / SEL W108 rangierten preislich deutlich unterhalb der luftgefederten 300 SEL W109-Typen. Ein billigerer W108 mit 350 SEL-Schriftzug hätte einen 300 SEL W109-Piloten somit statusmäßig eindeutig düpiert. Und: dann hätte es ja auch einen 630 SEL W109 geben müssen! Was, bitteschön, hätte die Käuferklientel des staatstragenden 600ers (W100) dazu gesagt? Undenkbar!

Somit kam der Daimler auf die Idee, die klassentrennende 280er zu 300er-Nomenklatur beizubehalten, und stattdessen eine "korrigierende" Hubraum-Zusatzangabe auf dem Kofferraumdeckel zu ergänzen. So hieß es dann 280 SE / SEL 3.5 oder eben 300 SEL 3.5 sowie 300 SEL 6.3, und die Welt stimmte wieder. Allerdings wurde nur "nach oben" prestigesichernd korrigiert. Wer nämlich den 300 SEL W109 mit 2,8-Liter-Motor bestellte, bekam rücksichtsvollerweise kein "2.8"-Signet an den Wagen, bzw. es blieb ihm der peinliche Augenblick erspart, dieses Schildchen ausdrücklich abzubestellen...

 

Hubraum-Richtigstellungs-Embleme hatten Tradition im Hause Mercedes:

Da der langlebige Über-Mercedes 600 W100 in den 70er Jahren immer noch gebaut wurde, musste man dieses Spiel auch beim größten Modell der neuen S-Klasse W116 weiterspielen, der hieß somit folgerichtig 450 SEL 6.9. Bei der dann nachfolgenden W126er S-Klasse war dieses Versteckspielen aber nicht mehr nötig, denn diese gab es nie mit einem Hubraum von sechs oder mehr Litern.

Jedoch beim "Babybenz", also bei  der 190 W201-Baureihe hatte man in Stuttgart wieder ein ähnliches Problem. Der 190er war als Einsteigermodell eine Stufe unterhalb der W124er Mittelklasse (Modelle 200-500, später E-Klasse genannt) angesiedelt. Den Niederrangigen durch entsprechende Motorisierung zum 200E, 230E oder gar 260E zu machen, war also modellpolitisch nicht möglich. Somit schlug man denselben Haken wie schon 25 Jahre zuvor und lancierte den 190E 2.3 bzw. 190E 2.6.

Später kam noch der 190E 2.0 hinzu und, man lese und staune, ein 190 E 1.8! Letzterer sollte wohl den selbstbewussten Ökonom ansprechen.

 

Mir jedenfalls gefielen diese "Zusatzzahlen" immer, sie machten die Heckgestaltung irgendwie interessanter, "cheffiger". Die Hubraumangaben wirken auf mich wie eine Art Ausrufezeichen. Das hatte mir daher auch an meinem alten 190 E 2.3 gut gefallen. Eher hätte ich auf die Sportline-Schilder verzichten können als auf die "2.3" am Heck.

So hatten die Lackmängel meines 250D sogar einen gewissen Vorteil. Denn der Heckdeckel war offensichtlich schonmal an der linken Seite nachlackiert worden, und dabei wurde das ursprüngliche "250D"-Schild entfernt aber nicht wieder angebracht. Meine Chance! Denn nun bestellte ich mir bei der MB-Niederlassung ein normales "200D" vom W124, sowie ein "2.5" vom W201 190D 2.5! 

 

Tadaa!

Der Dieselbenz tat genau das, was ich von ihm erwartete. Stur und gemütlich, aber doch gar nicht so lahm wie befürchtet karriolte er mich mit seinen 90 Sauger-PS zur Arbeit und zurück, sicher und warm, 180-200km jeden Tag. So entspannt kam ich in keinem anderen Job im Büro und wieder zuhause an!

Um die Kommodität auf die Spitze zu treiben, erstand und montierte ich noch eine vordere Mittelarmlehne. Die hatte den passenden Stoffbezug, jedoch musste ich ihr den erstmal komplett über die Ohren ziehen und aufwändig reinigen um ihn von Speckigschwarz(!) zurück ins Hellgrau zu holen. Aber der errungene Komfort lohnte diese eklige Mühe.

 

Tja - das hätte nun wohl ewig so weitergehen können, zumindest was den Diesel anging. Mir jedoch stand der Sinn nach Veränderung. Vor allem nach weniger Fahrerei, denn trotz allen Fahrgenusses ist es auf Dauer halt doch nicht so erholsam, jeden Tag 2-3 Stunden seines Lebens auf verstopften Düsseldorfer Autobahnen herumzustehen. Ein neuer Job lockte bald, winkte obendrein mit einem Dienstwagen, und so war im Herbst 2013 nach schon wieder nur 2 Jahren und 75.000 reibungslosen Kilometern time to say good bye...

Das Verkaufen ging schneller als das Finden, wie das immer so ist. Er bekam nochmal einen frischen TÜV, und der Prüfer bescheinigte mir ungefragt, dass dies der beste 124er sei, den er seit langer Zeit gesehen hätte. Technisch top und keine Spur von Rost. Den solle ich mal schön aufheben, und so. Was wieder mal beweist, dass Autos nicht vom Fahren kaputt gehen, sondern vom Herumstehen (was mich an meine Flosse erinnert, die vorwurfsvoll dreinblickend in der Garage hockt und auf Bewegung wartet). Denn außer den üblichen Wartungsarbeiten hat der Wagen keinerlei Pflege- oder Konservierungsmaßnahmen bei mir erhalten.

Die Bilder hier zeigen die Momentaufnahme wo er frisch getüvt für die Verkaufsbilder handgewaschen war. Die wirklich unzähligen Macken im Lack kommen dank ausreichend Abstand nicht so recht hervor... Der Wagen ging schließlich an einen Interessenten aus Norwegen, der einen deutschen Bekannten zum Anschauen und Probefahren vorbeischickte. Tja, das mit dem Oxikat hätte ich mir also sparen können, denn das ist kein Verhandlungsargument für einen Norweger...

Ein Kollege im Flossen-Forum schrieb damals, ich werde den Verkauf bereuen.

Ich fürchte, er behält Recht.