Was in der Überschrift so sakral anklingt, hat in der Tat einen wennauch weltlichen, aber dennoch für viele Hobbykollegen quasi-religiösen Hintergrund. Ich persönlich sehe das zwar nicht ganz so ehrfürchtig, bin aber doch sehr dankbar, dass sich die hier beschriebenen Gelegenheiten mir boten.
Es dreht sich um das Fahrzeugdepot des Mercedes-Benz-Museums in Stuttgart, in welches einer Handvoll Freunden und mir durch eine so zufällige wie glückliche Kontakt-Konstellation Anfang des neuen Jahrtausends mehrfach ausführlicher Besuchszugang gewährt wurde. Damals war das heutige, moderne Museum noch gar nicht gebaut, das alte Museum in Auflösung begriffen, und das auf mehrere Hallen verteilte Depot von drangvoller, aber dafür umso beeindruckenderer Fahrzeugfülle geprägt. Da Depots üblicherweise nicht öffentlich zugänglich sind, werde ich den Namen des Kontaktes, der diese Besuche ermöglichte, heute immer noch nicht nennen.
Auch wenn der Dankens-Anstand es eigentlich dringend geböte. Danke, danke, danke nochmals!
Leider ist die Qualität der nun folgenden Bilder teils echt mies. Ich bitte dies zu entschuldigen. Die Autos standen in meist schlecht beleuchteten Großgaragen, und oft so dicht geparkt, dass man sie kaum ganz aufs Bild bekam. Hinzu kommt, dass es halt einfach nur eine Erinnerungs-Knipserei war, und man aufgrund der geballten Preziosendichte gar nicht wusste, wo man zuerst hinschauen oder draufhalten sollte.
Es klingt hoffentlich nicht zu arrogant oder geringschätzend, wenn ich sage: ich bin schon so viele Jahre im Oldtimerhobby unterwegs, habe soviele Treffen, Museen und sonstige Veranstaltungen besucht - mich kann kaum noch etwas schocken oder beeindrucken.
Zumal das vermuten lässt, dass ich selbst schon ein Museumsstück wäre. Dabei habe ich einfach nur relativ früh angefangen, mich mit dem Thema zu beschäftigen. Damals, als die Welt der Autofabrikanten bzw. ihrer Produktpaletten noch klangvoll, übersichtlich und ehrlich (es war drin, was draufsteht) war, Anfang der 80er Jahre...
Aber es ist tatsächlich so: man hat wirklich schon viel gesehen, und ist beim Anblick eines makellosen 300SL-Flügeltürers oder 600 Pullman nicht mehr so recht aus dem Häuschen. Auch wenn das absolut tolle Autos sind.
Was mich jedoch bei den Besuchen des MB-Museumsdepots beeindruckte, waren die Autos, die man eigentlich nur aus einschlägiger Geschichtsliteratur kennt. Die Silberpfeile zum Beispiel.
Startnummer 722: legendär, wunderschön und allenfalls als Miniaturmodell erreichbar.
Das Moss-Geschoss, live und in Farbe.
Zum Anfassen.
Zum Reinsetzen.
Oder eines der beiden Uhlenhaut-Coupés, welche zweifellos zu den gelungensten Autos gehören, die Mercedes je auf die Räder gestellt hat.
Regelmäßig zwecks Ankauf eingeschickte Blankoschecks aus aller Welt wurden stets diskret retourniert, sprechen aber für sich.
Hier das Exemplar mit dem blauen Interieur.
Der Zwilling mit dem roten Leder...
...wurde dann 2022 doch verkauft, warum auch immer, und zwar angeblich meistbietend für 135 Mio. Euro.
Was ihm den zweifelhaften Ruf des teuersten Autos der Welt einbrachte.
Offensichtlich eine PR-Aktion des Daimler-Managements, im Zusammenhang mit der Neuausrichtung des Portfolios auf ausschließlich oberklassige Fahrzeuge. Man darf gespannt sein, wohin dieser Weg führen wird...
Nochmal Silber, aber nicht gerade Pfeil(schnell).
Das ist die Design-Studie eines Mittelmotor-Supersportwagens von 1966: der SLX.
Sieht supersportlich aus, ist aber ein reines 1:1-Modell aus Holz und Kunststoff, ohne Interieur und Technik.
Leider wurde das Projekt zunächst gestoppt und erst ein paar Jahre später weiterverfolgt, sodass es als Prototyp des Prototypen gelten darf: nämlich als Urvorlage des legendären C111.
Der schicke C111, auch berühmt für sein exklusives Lackkleid im Ton "Weißherbst", schaffte es allerdings trotz gegebener Reife ebenfalls nicht in die Serie. Nur 6 unterschiedliche Exemplare entstanden ab 1968, von denen bei unserem Besuch alle im Depot eingelagert standen.
Hochkant verbautes Nadelstreifen-Beckerradio:
auch im Supersportler C111 geht es bei aller Enge komfortabel zu.
Ein Mercedes kann eben nicht aus seiner Haut, und bleibt halt ein Mercedes.
Gleich nebendran standen auch die Sportkameraden vom Abenteuerspielplatz
Und natürlich alle möglichen Runden-Renner, teils gelagert wie überdimensionale Matchbox-Autos:
Mich begeisterte dabei zugegebenermaßen eher das historische Arbeitstier der Rennabteilung, auch wenn es "nur" ein sehr authentischer Nachbau ist:
Ebenfalls, wie auch die oben schon zu sehenden Rennflossen, eine Werks-Replika: der 230SL, auf dem Hotelier und Mercedes-Rennpilot Eugen Böhringer 1963 für Furore sorgte.
Einen besonderen Reiz hatten die Depotbesuche auch deshalb, weil hier Geschichte neben Boulevard stand, und zwar buchstäblich.
So wie hier: der einzigartige 300 Adenauer aus der Versuchsabteilung. Ich kannte ihn zuvor nur von Werksfotos in diversen Flossenbüchern, wo er vollgepackt mit Messgeräten den Test-Heckflossen auf der Werks-Steilkurve dicht hinterherjagt - beide verbunden über eine Kabel-Nabelschnur!
Und jetzt stand er plötzlich vor mir - herrlich.
Und was war mit Boulevard und so? Nun, skurrilerweise stand neben dem altehrwürdigen 300er ...
...der Jurassic-Parc-Besuchertour-Geländewagen aus gleichnamigem Blockbuster. Ich erinnere mich gut: der noch nicht erhältliche Typ ML wurde mit diesem geschickten Product-Placement in den Markt eingeführt.
Apropos Film-Bildung:
auch der W211 wurde auf diese Weise dem geneigten Kino- und Niederlassungsbesucher vorgestellt. Wobei es irgendwie nicht so wirklich glaubwürdig erscheint, dass eine US-amerikanische Staatsbehörde im Benz vorfahren würde...
Ach, wo wir gerade hier sind, gleich noch ein paar Bilder aus der Babystation. Der 190er (W201) wurde auch in einer recht gelungenen Cabriolet-Version bis zur Serienreife gebracht, aber dann doch zugunsten des 124er-Cabrios verworfen. Schade eigentlich.
Es existiert übrigens nicht nur das blausilberne Exemplar, das später ausgestellt und gelegentlich in Autozeitungen präsentiert wurde, sondern auch dieser silberne Wagen. Wofür die durch die Motorhaube ragenden Halterungen dienten, stand leider nicht dran.
Noch zwei Babybenze der eiligen Sorte...
...und natürlich darf der originale Nardo-Weltrekordwagen nicht fehlen. Hier noch im originalen Zustand wie er von der Rennstrecke zurückkam. Heute ja leider eine frisch gewaschene und hochglanzpolierte Museumsleiche:
Und noch zwei Konzeptwagen aus der Entwicklung. Fraglich, ob ihnen ein Erfolg beschieden gewesen wäre...
Da war am Ende die A-Klasse der mutigere und letztlich gelungenere Wurf.
Moment, Wurf?
Ups, ja, da war ja was...
Möge dieser Elch an mir vorübergehen!
Mercedes war halt schon immer besser im Richtige-Autos-Bauen.
Und so kam es ja auch, dass man sich dort irgendwann überlegte, ob man nicht mal wieder ein richtig großes Über-Oberklasseauto bauen sollte. Der 600er (W100) war (und ist) ja schließlich ein absoluter Imagepolierer.
Doch soll man das unter dem Markennamen Mercedes versuchen, oder vielleicht dafür die brachliegenden Rechte am Namen Maybach einer sinnvollen Nutzung zuführen?
Da man sich nicht entscheiden konnte, stellte man das neue Obergeschoss 1997 als Design-Studie in Tokio der geneigten Kundschaft vor, und schrieb einfach beides dran:
Der Rest ist bekannt: der Zwölfzylinder kam ausreichend gut an, und ging schließlich als Maybach 57 bzw. 62 in Serie. Gefallen hat er mir nie.
Der Scheff der Nachkriegsbenzen ist und bleibt halt einfach der 600 (W100). Davon standen im Depot so einige in unterschiedlichen Versionen und Erhaltungszuständen herum. Scheinbar hat man gelegentlich ausgediente Exemplare eingehandelt/angekauft, um der Kundschaft entgegen zu kommen, oder um sie im benachbarten Classic-Center in den Neuzustand zurückzurestaurieren.
Mir gefallen die W100 in ranzigem Zustand genauso gut wie in Topzustand. Sie verlieren einfach kaum an Würde, egal ob gepflegt oder nicht.
Ein paar 600er hielt (und hält?) Mercedes immer für Staatsbesuche bereit, wofür sie dann ausgeliehen werden. Soweit nichts besonderes, aber im Inneren findet man lustige Details, die den ungeübten Oldtimerbenutzern die Bedienung erleichtern sollen...
Noch so eine skurrile Szenerie: ein 1936er 500K Spezialroadster, der schönste & geilste Mercedes der je gebaut wurde, millionenwertig obendrein, steht zugeparkt, um nicht zu sagen eingepfercht von schnöden 600ern und Heckflossen.
Und der Zündschlüssel steckt.
Beim dritten Besuch konnten wir es dann nicht mehr aushalten, und haben ihn mal kurz gestartet... ...unvergesslich.
Und gegenüber dann der Kontrast schlechthin. Da stand eine ramponierte Flosse. Ein Auto, welches etwa 1 Jahr zuvor versteigert wurde und im Zuge dessen im Clubforum zum Thema geworden war. Hier tauchte es nun plötzlich „in echt“ auf: eine 200er Diesel-Flosse, die wohl mal in militärischen Diensten auf Gibraltar stand. Und zwar als Fahrschulwagen, wie anhand der wohl eher wenig gewünschten Sonderausstattung "Ersatzlenkrad, beifahrerseitig montiert" erkennbar ist.
Hätte man statt zweitem Lenkrad lieber eine zweite Pedalerie installiert, hätte man auf die klobigen Stahlträger-Stoßstangen verzichten können…
Sicher ein skurriles Gerät, aber dennoch erstaunlich, dass es seinen Weg ins MB-Museumsdepot fand.
Apropos Lacknummer, auch die folgende Flosse ist ein echter Hingucker, und hat es sogar zum Vorbild eines Miniatur-Modelles gebracht. Was es allerdings mit ihr auf sich hatte, habe ich leider vergessen. Geht wohl auch eher um die Optik als um die Geschichte dazu:
Mal etwas ganz anderes: ein Erprobungs-Wagen aus der Ballistikabteilung...
Tradition ...
Probesitzen auf dem ältesten original erhaltenen Mercdes überhaupt. Ein Simplex von 1902, mit erstaunlichen 40PS.
Schön. Interessant.
Aber die Messing-Ära ist nicht so mein Ding.
... und Moderne.
Das futuristische MB-Centomobil aus der unfassbar langweiligen Fernsehsendung "Die Zukunft hat Geburtstag" anlässlich des 100. Geburtstages des Automobils, 1986.
Herr Pfleghar hatte schon bessere Ideen, und z.B. lieber die echte Klimbim-Show fortsetzen sollen, statt diese, bis dahin teuerste Show aller Zeiten, umzusetzen.
Aber wo wir gerade beim Geburtstag des Automobils sind: der Benz´sche Patent-Motorwagen gilt bekanntlich als erstes Automobil mit Verbrennungsmotor. Die originale Nummero 1 steht im Deutschen Museum in München...
...aber natürlich darf auch im Hause Mercedes so ein Modell nicht fehlen. Ob das hier ein Original ist, bin ich mir nicht sicher. Ich glaube es ist ein Nachbau, der irgendwann im frühen bis mittleren 20. Jahrhundert entstand.
Somit also trotzdem schon wieder ein echter Oldtimer mit Seltenheitswert.
Wobei das mit der Seltenheit nicht ganz so dramatisch ist: wer einen original(getreu)en Patentmotorwagen vom Originalhersteller haben will, hat sicher eine gar nicht so schlechte Chance auf entsprechenden Erwerb.
Denn der Daimler hat (so um 2000?) für Werbezwecke ein paar Dutzend davon nachbauen lassen - allerdings in ladenneuer Erscheinung, was es für den historisch interessierten Betrachter etwas langweilig macht.
Daher wurden wohl auch nur wenige davon tatsächlich für die geplanten Ausstellungszwecke verwendet, und die meisten in dieser tristen Halle eingelagert.