Mercedes-Benz 280SE W108,                                               Baujahr 1968,Sandbeigemetallic

Meine automobile Midlife-Crisis war also durch einen Schock-Effekt jäh überwunden, siehe Audi-Cabrio. Nicht reuig, aber doch sicher in der Entscheidung, kehrte ich zur Alten, ähm, zur alten Vorliebe zurück. Es war dieses Mal auch kein Zufall, welches Modell mir da in die Garage rollen sollte. Ganz bewusst suchte ich nach einem Mercedes W108, also nach so einer Alten S-Klasse wie ich sie schon einmal besaß. Gerne aber mit einem 3,5 Liter-V8-Motor. 

Diese Mercedes-Baureihe war und ist einfach extrem gefällig, und so verfiel auch ich ihr wieder, trotz gewisser Negativerfahrungen. Es können ja nicht alle schlecht sein, und letztlich war ich ja selber schuld am Motortod des elfenbeinernen Vorgängers.

Allein - gerade diese Gefälligkeit der Mercedes W108/W109er S-Klasse macht sie so gefährlich. Wo viel Nachfrage, da viel Pfusch! Auch Anfang 2001, als ich auf die Pirsch ging, war klar, dass bei diesen Modellen wahnsinnig viel Schrott auf dem Markt ist. Entweder sind es ehrliche Wracks oder geschminkte Leichen. Nur ganz wenige Perlen sind darunter, und deswegen auch entsprechend bepreist... Komischerweise ist das selbst heute, 2021, noch so. Das Angebot ist zwar insgesamt geringer, aber die Qualität in der Zusammensetzung ähnlich durchwachsen. Dank Internet ist heute nur die Transparenz des Marktes für Suchende besser.

 

Apropos Markt. Viele Telefonate und einige Besichtigungen später bekam ich die druckfrische Ausgabe der Oldtimer-Markt auf den Tisch. Und darin bot ein am Bodensee beheimateter Herr mehrere solcher Fahrzeuge schweizerischer Herkunft an, mit interessanten Beschreibungen und Preisen. Fahrzeuge aus der Schweiz sind an sich schon interessant, weil sie in der Regel gut ausgestattet sind, inklusive einer Hohlraumkonservierung (großes Plus!), und auch die Wartungsmentalität der Eidgenossen eher überdurchschnittlich gut ist. Folglich klang es  am Telefon -wie so oft zuvor- vielversprechend. Also aus der Südheide bis zum Bodensee donnern, nur um sich die nächste Enttäuschung zu gönnen? Ja los, es ist Frühsommer, die Freundin hat auch Zeit und Lust dazu, und so machen wir einfach ein langes Wochenende daraus. Sollte der angepriesene 108er tatsächlich eine weitere Pleite sein, wird´s trotzdem eine nette Zeit.

 

 

Es ist nicht alles Gold, was glänzt!

Oder doch?

 

Gerade bei alten S-Klassen muss man sehr aufpassen, dem serienmäßigen Charme nicht blind zu verfallen...

 

 

Denn wo ein alter Opel oder Ford längst verschrottet war, wurde für einen alten Benz meist nochmal das Schweißgerät ausgepackt - weil es sich dank Nachfrage lohnt!

 

 

 

Aber genauso oft wurde es sich einfach gemacht, und ein solcher Wagen dann nicht mit Sachverstand repariert, sondern mit gerade so viel Spachtelmasse zugekleistert, dass man rustikale Bratereien und Durchrostungen nicht mehr (so schnell wieder-)sah.

Tatsächlich war der Wagen, welcher den Anlass für diesen Ausflug nach Konstanz darstellte, nicht das erhoffte Traumauto. Aber meine Konsternierung wurde innerhalb weniger Minuten ins Gegenteil verkehrt, denn der Anbieter hatte zwischenzeitlich ein weiteres Exemplar aus der Schweiz geholt, frisch geTÜVt samt H-Gutachten.

Und weil es noch kein Internet gab, war es halt auch noch nirgendwo inseriert - gute, alte Zeit!

Es handelte sich um einen 280SE von 1968, wie mein erster W108. Nur, dass dieser Wagen keinerlei sportive Attribute aufwies, sondern im Gegenteil ausgesprochen gediegen konfiguriert war. Abgesehen von den Zusatz-Fernscheinwerfern, ein in der Schweiz allgemein gern nachgerüstetes Zubehör, warum auch immer. Nein, dieser Wagen trug ein güldenes Lackkleid in Verbindung mit einer cremefarbenen MB-Tex-Innenausstattung! Diese Kombination macht dieses erdschwere Auto optisch so freundlich und hell, dass ich sofort begeistert war! Und dass auf eine Colorverglasung verzichtet wurde, ist sicher nicht aus Sparsamkeit passiert, sondern weil es diesen optischen Eindruck von Leichtigkeit noch verstärkte! Keine Kopfstützen versperrten die freie Rundumsicht. Keine energisch dreinblickenden  Doppelscheinwerfer waren installiert, sondern die melancholischen Gurkengläser, die schon die Hecklossenmodelle seit 1959 trugen. Keine gewichtsoptimierenden Alufelgen, sondern solide Stahlfelgen mit in Wagenfarbe lackierten Zierdeckeln - wie sie eben nur ein Mercedes hat. 

 

Nein, hier war Cruisen angesagt, per Automatic-Getriebe mit Wählhebel am elfenbeinweißen Volant, bei geöffnetem e-Schiebedach samt innenliegendem Webasto-Windabweiser. Als ich letztgenanntes Ausstattungs-detail entdeckte, war es um mich eh schon geschehen: ich liebe diese Dinger!

Eine Probefahrt war eigentlich gar nicht mehr nötig, sondern absolvierte ich ehrlich gesagt nur noch der Form halber oder weil mich der letzte Rest Vernunft dazu zwang. Wennauch nur ein unüberhörbar kaptitaler Motorschaden oder eine unterwegs verlorengegangene Achse mich noch vom Kauf hätten abhalten können.

Gut, die Reifen sind steinalt.

Jaa, da ist mal eine neue Lackierung draufgekommen.

Jaaa, da ist eine fette Blase unterm Lack hinter dem Zusatzscheinwerfer.

Jaaaa, da ist irgendwas am hinteren Türeinstieg/Radlauf nicht  koscher.

Jaaaaa - aber er hat doch eine Hohlraumversiegelung! Was soll da schon passieren!?

Nun ja. Wie auch immer. Die Probefahrt verlief unauffällig - jedenfalls aus Sicht eines typisch Verblendeten, und auch beim Preis wurde man sich einig: 10 große Zettel sollten es sein. Kein Schnapper, aber nach meiner Einschätzung immer noch fair. Also noch schnell ein Überführungskennzeichen vom örtlichen Straßen-verkehrsamt geholt, und zwei sonnige und vorfreudige Tage später den Güldenen Gleiter in heimatliche, norddeutsche Gefilde gefahren, eskortiert von der Freundin in ihrem Dienst-Focus. Aber schön gemächlich - so ein Fiasko wie mit dem Elfenbein-280er wollte ich nicht nochmal erleben.

Logisch daher: zuhause wurde als erstes das Öl gewechselt...

 

 

 

Hell in hell, wie schön!

 

Der sollte es nun sein. Wurde es auch, und blieb es für einige Jahre.

Das erste Jahr in meiner Obhut verbrachte das Goldstück, die korrekte Farbbezeichnung lautet übrigens Sandbeigemetallic, tatsächlich als mein Alltagswagen. Was sich so materialmordend anhört, ist in der Realität allerdings eher harmlos gewesen. Zur Arbeit im kleinen Heidedorf Eickeloh hatte ich 5 Minuten Fußweg. Der Benz blieb also überwiegend in der Garage, wurde nur für Besorgungen und gelegentliche Wochenend-Besuche bei meinen Eltern genutzt.

Auf einer solchen Heimatfahrt ereilte mich allerdings eine umso spektakulärere Panne: bei höchstsommerlichen Temperaturen reiste ich freitagmittags mit etwa 140km/h auf der A2, als wenige hundert Meter vor der Zielausfahrt Bad Eilsen mit einem Mal aus allen Ritzen der Motorhaube beeindruckende Dampfschwaden hervorquollen und mir die Sicht versperrten. Ich hatte sofort die entsprechenden Bilder aus den Filmen "Duell" oder -natürlich!- "Blues Brothers" vor Augen, und entsprechend filmreif muss es auch ausgesehen haben, als ich die Ausfahrt herunterrauschte und schließlich auf dem nahegelegenen Besucherparkplatz einer dortigen Sehenswürdigkeit ausrollte und den Motor abstellte. Nach einer Weile ließ der Dampfaustritt nach, und ich traute mich die Haube zu öffnen. Ein geplatzter Kühlschlauch. Puh, also an und für sich nix Wildes, aber... hatte womöglich der Motor schon Schaden genommen?  Ich traute mich jedenfalls nicht, ihn wieder zu starten sondern rief den ADAC-Abschleppwagen. Und der kam dann auch, schon kurzweilige 4 (VIER!) Stunden (STUNDEN!) später, die ich in sengender Sonne auf dem schattenlosen Parkplatz verbrachte...

Der fachkundige Herr im gelben Wams meinte angesichts des inzwischen abgekühlten Motors, dass ein Starten mit sofortigem Auf-den-Abschleppwagen-Fahren zu riskieren sei. Und so machten wir es dann auch, nachdem beim Start keine verdächtigen Geräusche ertönten. Er brachte uns sodann zu seiner Werkstatt, einem Opelvertragshändler. Dort hatte man natürlich keine Mercedes-Schläuche vorrätig, weshalb ein Opelschlauch provisorisch verbaut wurde, und ich die Heimatfahrt doch noch fortsetzen und ohne weitere Zwischenfälle beenden konnte.

Das Provisorium blieb, weil sowas schließlich immer am besten hält, auch noch eine ganze Weile drin, und wäre dort vermutlich heute noch, wenn, ja wenn ... es sich da nicht 2004 zufällig so ergeben hätte, dass man da eh nochmal ran musste.... aber dazu später mehr...

Im Herbst 2001 ergab sich zunächst eine persönliche Veränderung, weshalb kein Dienst-Focus für Schlechtwettertouren oder sonstige, niedere Aufgaben mehr zur Verfügung stand - jedenfalls nicht mir.  Also kaufte ich einen guterhaltenen Mercedes 190E 2.3 für eben diese Zwecke, siehe entsprechendes Kapitel meiner Auto-Biographie. Quasi logische Konsequenz besagter Veränderung war auch das Aufkommen eines Wunsches nach genereller Neuorientierung, beruflich wie privat. Und so schlug ich schließlich im Dezember 2001 mitten in Hamburg meine Zelte auf. Eine sehr weise Entscheidung in absolut jeder Hinsicht, wie ich an verschiedenen Stellen in der Burchkarage noch erklären und veranschaulichen kann. Hier aber geht´s um den Güldenen Gleiter, und auch für ihn war diese wunderschöne Stadt das perfekte Geläuf!

Das war die Zeit, als die Hafengegend und Speicherstadt gerade erst anfing, von Stadtentwicklern und Investoren aller Art entdeckt zu werden, und noch nicht von Hipstern oder Touristen belagert war. So konnte man dort durchaus noch problemlos ursprüngliche und charmant verlotterte Locations für ein nettes Bild vom Oldtimer finden, ohne dass einem Jack-Wolfskin-Partnerlook-Flatrate-Pärchen hineinstolpern.

In Hamburg schloß ich mich umgehend dem örtlichen Stammtisch meines Benz-Clubs an. Dort traf ich Gleichgesinnte, mit denen man gemeinsam Ausfahrten organisiert oder an Oldtimertreffen teilnimmt. So zum Beispiel auch 2004 am sehr schönen Bockhorner Oldtimermarkt. Nach einem sehr lustigen Wochenende dort, mit Übernachtung im Auto, geselliger Runde um Grill und Lagerfeuer, und mit reichlich Bölkstoff, machten wir uns schließlich zufrieden aber müde auf den Heimweg. Ein guter Freund mit seinem grauen 280SE fur hinter mir, und wir glitten entspannt über die schönen Landstraßen des Alten Landes, als völlig unvermittelt ein widerliches, metallisch-schnatterndes Geräusch aus meinem Motorraum schallte. Sofort rechts ran, Motorhaube auf, aber kein Defekt zu erkennen. Nochmal starten, das Geräusch war noch da, kam aber irgendwie aus dem Motor heraus...

 

 

 

An Weiterfahrt war jedenfalls nicht zu denken. Also mal wieder den ADAC ranholen, wieder direkt mit Abschlepper. Trotz Sonntagnachmittag war der jedoch dieses Mal relativ flott vor Ort,  packte den maladen Benz ein und brachte ihn zur Werkstatt meines geringsten Misstrauens.

 

 

 

 

Dort offenbarte sich dann ein paar Tage später der Befund... Kein Wunder, dass von außen Nix zu erkennen war, denn das geräuschvolle Übel versteckte sich tief im Inneren.

Am 2. Zylinder hatte sich ein Kolbenring zerlegt, und seine Bruchstücke wurden vom Kolben anschließend gut durchgekaut....

 

 

Also war mal kurz eine Komplettrevision des Motors angesagt... na, passt dann ja zur ebenfalls komplett überholten Vorderachse, die ich mir zwei Jahre zuvor schon gönnen durfte.

Und der Neuabdichtung der Hinterachse, wegen TÜV-Bemängelung. Und zu der...

... ach, lassen wir das.

 

Somit war inzwischen mehr als der Kaufpreis nochmal in diesen Wagen geflossen, aber so ist das halt.

Da muss man dann durch, nicht wahr!

Es hatte mich nun auch beim zweiten S-Klasse-Benz mit einem kapitalen Motorschaden erwischt, unfassbar. Dieses Mal konnte ich mir aber kein Eigenverschulden vorwerfen, und auch der Frust hielt sich trotz Allem in Grenzen, denn insgesamt hatte mir dieser Wagen doch viel Freude bereitet. Es war stets ein Genuß, mit ihm auf Reisen zu irgendwelchen fernen Oldtimer-Treffen, oder auf Besorgungstouren  quer durch das Hamburger Stadtgewühl zu düsen. Oder beim einfachen "Herumfahren" in und um die schönste Stadt der Welt, auf der Suche nach brachliegenden Industrie-/Hafenanlagen und sonstigen,, morbiden Locations. Letzteres oft in Begleitung von 1 - 2 weiteren Hobbykollegen, die inzwischen zu echten Freunden geworden waren, mit denen man auch Freizeit außerhalb des Hobbys verbrachte. 

Aber so schön das alles auch war, so wurde mir nach und nach klar, dass der Unterhalt dieses Goldstücks mich von meinem eigentlich Traumwagen immer fernhielt. So ein Auto will gepflegt und gewartet, sowie seine Reparaturen finanziert werden. Die kostspielige Motorinstandsetzung war somit der Punkt, an dem mir langsam bewusst wurde, dass ich mein eigentliches Traumauto, die seit 1993 in der Scheune/Halle dämmernde 300SE-Heckflosse, nie fertig bekommen würde, wenn weiterhin meine freizeitlichen und finanziellen Kapazitäten vom Zweit- oder Drittoldtimer aufgebraucht werden.

Jetzt aber wollte ich die Flosse endlich voranbringen, mich voll auf sie konzentrieren und sie fertigstellen. Und das hieß: Abschied nehmen vom Güldenen Gleiter 280SE Automatic.

2005, beim nächsten Treffen in Bockhorn, bot ich ihn also per unauffälligem Verkaufsschild an, und ein Besucher wurde auf ihn aufmerksam - genau wie ich damals wegen der so ungewöhnlichen wie ansprechenden Farbkombination. Es ging anschließend noch zwei Wochen hin und her, er musste seine Frau noch überzeugen, etc. - wir kennen das alle...  Dann war der Deal perfekt und der gute Mann, ein am Bremer Grossmarkt tätiger Gemüsehändler,  holte ihn am 15.07.2005 ab.

Nur das Timing war irgendwie blöd, denn in 2005 organisierte ich das Club-Herbsttreffen in HH mit.

Über 200 Clubfreundinnen und -freunde in ihren 70 alten Benzen führten wir in schönen Touren 3 Tage lang durch die Stadt und das Umland - und ausgerechnet ich hatte nun keinen (fahrbereiten) Altbenz mehr zur Hand...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

...aber irgendwas ist ja immer.